Nelken fuers Knopfloch
Verbeugung und rannten zum Wasser.
Aber aus dem Schatten eines Liegestuhls, unter dem er hechelnd gedöst hatte, erhob sich der Hund Poldi und stellte sich ihnen knurrend entgegen. Für einen Hund, der erst seit zehn Tagen im Hause war und keinen besonderen Wachauftrag bekommen hatte, war das eine beachtliche Leistung. Die Jungen bremsten ab, teils, weil Poldi ihnen seine spitzen Zähne zeigte, mehr aber vor seiner abenteuerlichen Erscheinung, an der weder seine Sauberkeit etwas zu ändern vermochte, noch daß sein Fell infolge der guten Ernährung einen gesunden Glanz bekommen hatte.
»Poldi!« rief Heliane, die den Vorgang beobachtet hatte. »Gehst du sofort auf deinen Platz! Du wirst doch meinen Söhnen nicht an die Waden fahren!«
Der Hund spitzte das Schäferhundohr, das andere gehörte bekanntlich zu einem Spaniel, wedelte mit dem buschigen Ringelschweif und trabte langsam zur Terrasse. Die Jungen folgten ihm staunend.
»Um Gottes willen, Mutti«, sagte Manfred und sah kopfschüttelnd zu, wie der Hund vor Heliane Männchen machte und einen Zwieback in Empfang nahm, »wem gehört dieses Monstrum? Hast du ihn dir etwa angeschafft?«
»Nein, Fredi, er ist nur ein Hausgast, aber ein sehr angenehmer. Er heißt Poldi und spielt in dem neuen Film neben eurem Vater und Fräulein Simpson die dritte Hauptrolle.«
»Seid ein bißchen nett zu ihm«, mischte sich Pforten ins Gespräch, der neben Simone Simpson saß und ihr gerade Feuer für ihre Zigarette reichte, »der arme Kerl hat eine schwere Jugend hinter sich. Ich habe ihn in einem Hundeasyl entdeckt, wo er mit fünfzig Kollegen, Streunern, Steuerrückständlern und Wilddieben bei Wasser und Brot eingesperrt war und einer trüben Zukunft entgegenging.«
Marcel Etienne, der sich aus dem Eiskrug ein Glas Orangeade einschenkte, hatte das Gefühl, auf glühenden Kohlen zu sitzen. Er sah, wie Manfreds Gesicht sich veränderte. Der Junge erstarrte förmlich, seine Lippen begannen zu zucken, und um seine Erregung zu verbergen, ließ er sich plötzlich auf die Knie nieder und streichelte dem Hund, der sich auf den Rücken warf und mit den Pfoten nach seinen Händen tappte, das Fell.
Am vergangenen Abend auf Hartenstein war Etienne, nachdem sie Thomas zu Bett geschickt hatten, noch zu Manfred aufs Zimmer gegangen und hatte ihm die Geschichte seiner Adoption in allen Einzelheiten erzählt. Er war dem Jungen diese Geschichte schuldig. Als er das Haus um Mitternacht verließ, um zu seinem Gasthof zurückzulaufen, war er mit dem Gefühl von Hartenstein geschieden, Manfred einen guten Dienst erwiesen zu haben. — Und nun tischte Pforten dem Jungen diese unglückselige Geschichte von dem Hundeasyl auf!
Was mochte in diesem Augenblick in Manfred vorgehen, in dem er doch unwillkürlich die Parallele zum eigenen Schicksal ziehen mußte?
Etienne starrte das volle Glas in seiner Hand an, ein einfaches Glas mit eingeätzten Figuren in bunter bäuerlicher Tracht, und ließ es zu Boden fallen. Es zersplitterte zu hundert Scherben, und die Orangeade sickerte in die Zwischenräume der Solnhofener Platten ein.
»Entschuldigt, es ist mir aus den Fingern gerutscht«, sagte er und bückte sich, um die Scherben aufzulesen. Heliane, Michael, Tom und auch Simone Simpson halfen ihm dabei.
»Scherben bringen Glück«, meinte Heliane tröstend, »aber die süße Orangeade wird die Wespen anziehen. Lauf, Tom, und hol einen Eimer Wasser, damit wir die Geschichte wegschwemmen!«
Thomas rannte in die Küche. Fräulein Babette selber erschien mit Schrubber, Eimer und Putzlappen, inzwischen aber hatte Etienne Manfred bereits zum Schwimmbecken geführt. Der Hund folgte ihnen.
»Ich habe das Glas absichtlich fallen lassen«, sagte Marcel leise, »ich tat es, um die Aufmerksamkeit von dir abzulenken, Fredi...«
»Danke, Onkel Marcel — es war nur die Geschichte mit diesem komischen Hund... Ich werde mich in Zukunft besser beherrschen.«
»Ich habe nicht an die Zukunft, sondern an Fräulein Simpson gedacht.«
Manfred drehte sich um und warf einen Blick auf die Terrasse, wo man immer noch dabei war, nach Glassplittern zu suchen, die eventuell weiter weggespritzt waren.
»Wer ist sie eigentlich?« fragte er verkniffen.
»Ich glaube, man nennt so etwas ein Starlet«, antwortete Etienne, »und dein Vater will dem Sternchen zu etwas mehr Glanz verhelfen.« Er hatte dabei nicht die Absicht, sich über Simone Simpson oder über Pforten zu mokieren, aber es kam doch ein wenig mokant heraus, denn die
Weitere Kostenlose Bücher