Nelson, das Weihnachtskaetzchen
geben würde, wenn sie später kam als verabredet. Also versuchte Anna es erneut, doch wieder erfolglos.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Klaus und ging ins Wohnzimmer. »Sie kommt bestimmt gleich.«
Das war leicht gesagt. Anna spürte trotzdem wachsende Unruhe. Als Laura eine halbe Stunde später tatsächlich zur Tür hereinkam, war Anna bereits außer sich vor Sorgen.
»Wo bleibst du so lange?«, rief sie ihr entgegen. »Mein Gott, wo warst du denn?«
Laura sah ihre Mutter wie einen geistig zurückgebliebenen Menschen an. »In der Theaterwerkstatt«, sagte sie spitz. »Wo denn sonst?«
»So spät noch? Guck doch mal auf die Uhr.«
»Es hat eben eine Stunde länger gedauert. Und? Wo ist das Problem?«
»Das Problem ist, dass du nicht zu erreichen bist. Wir haben doch vereinbart, dass du anrufst, wenn du dich verspätest.«
»Hab ich halt vergessen«, brummelte Laura.
»Ich hab mir Gott weiß was ausgemalt. Alles Mögliche hätte dir passieren können.«
»Was soll denn passieren?«, fragte Laura. »Meine Güte, es hat eben ein bisschen länger gedauert.«
»Und wieso gehst du dann nicht an dein Handy?«
Laura drehte sich um und steuerte die Treppe an. Offenbar hatte sie keine Lust mehr auf diese Unterhaltung.
»Du bleibst hier, wenn ich mit dir rede, Laura! Einfach nicht ans Handy gehen! So geht das nicht. Ich muss mich darauf verlassen können, dass du zu erreichen bist. Sonst kann ich dich in Zukunft nicht mehr einfach so weglassen. Dann bleibst du zu Hause.«
Laura wartete ab, ob noch etwas folgte. Doch Anna war fertig mit ihrer Standpauke.
»Kann ich jetzt gehen?«, fragte Laura.
Anna hatte sie eigentlich nach der Rolle fragen wollen, die sie im Weihnachtsstück bekommen hatte. Aber das schien jetzt nicht der richtige Moment dafür zu sein.
»Ja, natürlich«, sagte sie, und Laura verschwand auf der Treppe. Etwas betreten kehrte Anna ins Wohnzimmer zurück, wo Klaus den Fernseher eingeschaltet hatte. Sie sah seinen Gesichtsausdruck und war überzeugt, er würde sich als Nächstes beschweren und für Laura Position ergreifen. Doch er lächelte nur, schwieg und wandte sich dem Fernseher zu.
Laura kam später noch mal nach unten, um sich das Abendessen aufzuwärmen. Im Wohnzimmer ließ sie sich aber nicht mehr blicken. Irgendwann gingen die Kinder dann ins Bett, während Anna und Klaus noch eine Talkshow im Fernsehen anschauten. Dann wurde es auch für sie Zeit.
Klaus stellte den Fernseher leiser. »Wie läuft’s eigentlich bei dir in der Firma?«
»Ganz gut. Wieso fragst du?«
»Reicht dir das denn, immer nur die Buchhaltung zu machen? Möchtest du nicht irgendwann wieder ins Projektmanagement?«
Sie hob die Schultern. Den Wunsch verspürte sie schon, aber traute sie sich das auch zu? Außerdem war es mit einer Halbtagsstelle unmöglich, mehr Verantwortung zu übernehmen.
»Du bist Unternehmensberaterin«, sagte er eindringlich, »und keine Buchhalterin. Du hast doch nicht bwl studiert, um im Büro zu sitzen und Quittungen zu sortieren. Du weißt, ich verdiene genug, und du musst nicht wieder Vollzeit arbeiten gehen. Selbst wenn du ganz zu Hause bleiben würdest, hätten wir genügend Geld. Trotzdem. Du hast doch deine Arbeit geliebt. Willst du nicht irgendwann wieder in Vollzeit einsteigen?«
»Ich möchte aber auch für die Kinder da sein. Es soll jemand auf sie warten, wenn sie von der Schule kommen. Ihnen was zu essen machen und sich kümmern.«
»Die Kinder sind doch langsam alt genug, die kümmern sich um sich selbst. Es sind ja schon fast keine Kinder mehr.«
»Wenn du dich da mal nicht täuschst. Sie wirken älter, als sie sind.«
»Ich meine ja nur, wenn du in den Beruf zurückwillst, solltest du das tun, und zwar möglichst bald. Du kannst die beiden nicht ewig betüddeln.«
»Betüddeln?«, fragte Anna verletzt.
»Das war vielleicht das falsche Wort. Ich meine … ach, vergiss es.« Er lächelte versöhnlich. »Ich will nur sagen: Wenn du in den Beruf zurückwillst, kriegen wir das schon hin. Wir könnten uns zum Beispiel eine Putzfrau nehmen. Vielleicht wird es dann ja sogar einfacher mit den Kindern.«
Jetzt verstand sie, was er sagen wollte. Klaus ertrug die Streitereien zwischen ihr und Laura nicht mehr. In seinen Augen war es die beste Lösung, die beiden einfach voneinander zu trennen. Dann gäbe es weniger Ärger im Haus. Anna verschränkte die Arme und schwieg.
»Was wolltest du mir eigentlich heute Nachmittag sagen?«, fragte Klaus. »Als wir von Max und seinem
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