Nelson, das Weihnachtskaetzchen
ein paar Schausteller zu sehen, die ihre Stände aufbauten.
Zufrieden ging er auf seinen Stand zu. Vorm Kettenkarussell entdeckte er ein kleines Grüppchen von Kollegen, die lautstark miteinander diskutierten. Männer und Frauen mit ernsten Gesichtern und fest verschränkten Armen.
»Das ist doch alles kein Wunder, wenn ihr mich fragt«, hörte Arthur einen Mann sagen. »Es fehlt den Leuten einfach an Verantwortungsgefühl.«
Und ein anderer meinte: »Ich halte meinen Stand jedenfalls sauber. Jeden Abend fege ich den Bürgersteig, das sage ich euch. Also, an mir liegt das mit Sicherheit nicht.«
»Das sind die Leute von der Stadt, die sind schuld«, sagte eine Frau. »Wer denn sonst? Die kümmern sich nicht richtig um ihre Müllcontainer. Und wir haben hier den Ärger.«
Arthur wunderte sich über den ungewohnt energischen Tonfall. Worum mochte es gehen? Und weshalb die ernsten Gesichter? Er überlegte, ob er sich kurz dazustellen und fragen sollte, was es denn so Wichtiges zu bereden gab. Doch dann zögerte er. Er wusste ja selbst, was er für einen Ruf bei den anderen Schaustellern hatte. Die meisten konnten ihn nicht leiden. Die Kollegen vorm Karussell hatten doch überhaupt keinen Grund, ihn an ihren Gesprächen teilhaben zu lassen. Er konnte sich schon vorstellen, wie sie reagieren würden, wenn er sie jetzt ansprach. Also ging er lieber wortlos weiter.
Vor dem Sockenstand traf er auf Murat, den türkischen Jugendlichen, der dick eingepackt vor sich hin pfiff und Sockenstapel auf der Verkaufsfläche verteilte. Als er Arthur kommen sah, tippte er sich grüßend an die Fellmütze.
»Hallo, Opa! Schöner Tag heute, nicht wahr?«
Arthur lächelte resigniert. Gegen so viel gute Laune kam er nicht an. Dieser Junge ließ sich einfach nicht vergraulen.
»Nenn mich doch einfach Arthur«, schlug er vor. »Das wäre mir ehrlich gesagt lieber als Opa.«
Murat grinste triumphierend. »Na logo, Arthur!«, sagte er. »Arthur also … wie Arthur Abraham?«
Jetzt musste Arthur lachen. Mit dem hatte er nun wirklich nichts gemeinsam. »Na, so ähnlich jedenfalls«, sagte er. Dann deutete er auf die Gruppe vor dem Kettenkarussell. »Was ist denn da hinten los? Weißt du was? Gibt es Ärger?«
»Na ja. Es gibt wohl eine Rattenplage, und jetzt versuchen alle, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben.«
»Eine Rattenplage? Davon habe ich gar nichts bemerkt.«
»Die Marktleitung hat das gesagt. Die Ratten tauchen hauptsächlich nachts auf. Es muss hier offenbar nachts noch Müll rumliegen. Essensreste von den Fressbuden. Sonst wären die Ratten erst gar nicht aufgetaucht.« Er grinste und stieß Arthur in die Seite. »Na, jedenfalls kann uns keiner die Schuld zuschieben. Ratten fressen weder Holzfiguren noch Wollsocken.«
Arthur dachte an Nelson. Würden die Ratten denn vor seiner Hütte Halt machen? Sie konnten problemlos durch das Loch in der Rückwand eindringen. Und wenn sie hereinkämen – würde Nelson ihnen dann im Kampf überlegen sein?
»Nein, da hast du wohl recht«, sagte er geistesabwesend.
»Es sei denn«, fuhr Murat fort, »den Ratten ist es hier zu kalt und sie haben es auf warme Socken abgesehen.«
Arthur wurde unruhig. Er wollte nach Nelson sehen.
»Ich muss weiter. Wir sehen uns später.«
Damit wandte er sich ab und ging zu seinem Stand. Er schloss die Tür auf und trat ein. Aber es war alles in Ordnung. Nelson lief ihm wie jeden Morgen maunzend entgegen.
»Komm her, mein Kleiner«, sagte Arthur, beugte sich herab und streichelte ihn. »Muss ich mir Sorgen um dich machen? Oder kannst du dich gegen die Ratten wehren?«
Die Antwort war ein weiteres zartes Miauen.
Arthur holte ein Schälchen mit Katzenfutter hervor, goss Wasser in eine Schüssel und versorgte zuerst den Kater. Dann machte er sich daran, den Stand aufzubauen.
Als er später mit Nelson auf dem Schoß in seinem Sessel saß und auf die erste Kundschaft wartete, betrachtete er nachdenklich das Loch in der Rückwand. Er fragte sich, wie sicher Nelson hier war. Drohte in den kommenden Nächten Gefahr für ihn? Aber selbst wenn – Arthur konnte das Loch ja nicht einfach verschließen. Die Hütte würde zu einem Gefängnis werden. Und womöglich würde der Kater Panik bekommen und ihm die Einrichtung auseinandernehmen, wenn er ihn über Nacht hier einschlösse.
Der Tag verlief vorerst ohne weitere Zwischenfälle. Weihnachtsmusik perlte aus den Lautsprechern, der Duft von Glühwein und gebrannten Mandeln wehte herüber, und
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