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Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Titel: Nelson, das Weihnachtskaetzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Steinbach
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gar nicht leisten, aber heute ging es eben nicht anders. Seine größte Sorge war ohnehin, dass die Studentin und Nelson sich nicht verstehen würden. Er wollte einfach hoffen, dass die junge Frau keine verzogene und schlecht gelaunte Göre war.
    »Hallo, Arthur! Na, wie läuft’s?«
    Murat, der seinen Stand bereits aufgebaut hatte und sich die Finger an einem dampfenden Becher Kaffee wärmte, kam zu ihm herüber.
    »Na ja«, sagte Arthur. »Wie’s eben so läuft.«
    »Wann kommt denn die Studentin, die du angekündigt hast? Bianca heißt sie, nicht wahr?«
    »Jeden Moment. Halb zwölf ist vereinbart.« Arthur sah sich um und betrachtete seine Kasse, die liebevoll geschnitzten Figuren und Nelson, der sich bereits auf dem Kissen niedergelassen hatte. Es fiel ihm nicht leicht, dies alles jemand Fremdem zu überlassen. »Wenn das mal alles gut geht«, murmelte er.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Murat. »Ich werde ein Auge auf alles halten. Wird schon nichts passieren.«
    »Wollen wir es hoffen. Vielen Dank jedenfalls, Murat.«
    »Und wenn diese Bianca eine Katzenallergie haben sollte, kann das Vieh auch bei mir unterkommen.«
    Arthur machte ein skeptisches Gesicht. »Das Vieh?«
    Doch Murat lachte nur. »Keine Sorge. Dem Kater würde es bei mir schon gut gehen.«
    Zum Glück kam es gar nicht so weit. Die junge Frau, die kurz darauf auftauchte, war eine Katzenliebhaberin. Ein hübsches Mädchen mit hennaroten Dreadlocks, saphirgrünen Augen und zahllosen bunten Wollpullovern. Sie war ganz begeistert von Nelson und konnte kaum die Augen von ihm lassen. Auch Nelson schien sich mit ihr abzufinden. Nach anfänglicher Distanz wagte er sich hervor und ließ sich von ihr den Kopf kraulen.
    Als Arthur ihr alles erklärt hatte, tauchte Murat wieder auf und versicherte ihm erneut, den Stand im Blick zu behalten. Arthur zweifelte keinen Moment daran, denn Murat konnte schon jetzt kaum die Augen von dieser Bianca abwenden.
    Sie schien aber ein patentes Mädchen zu sein. Er brauchte sich keine Sorgen machen. Trotzdem verließ Arthur nur schweren Herzens Nelson und seinen Stand. Mit langsamen Schritten machte er sich auf den Weg zum Bahnhof Alexanderplatz. Ein seltsames Gefühl war das. Als ob er sich von der Arbeit davonschlich.
    Aber das änderte sich, sobald er in der S-Bahn saß. Nun rückte sein Vorhaben in den Vordergrund. Es war keine einfache Reise, die er da antrat. Er wollte zum Wannsee rausfahren, zum Stadtrand, wo ein abgelegenes Viertel mit Einfamilienhäusern war. Eine idyllische kleine Welt, weit entfernt vom Lärm der Großstadt. Dort lebte seine Tochter mit ihrer Familie.
    Arthur wusste noch gar nicht genau, wie er den Besuch angehen wollte. Welche Argumente er am besten vortrug. Er hatte sich noch keinen Gesprächsverlauf ausgemalt. Aber sich vorher etwas zurechtzulegen schien ihm auch die falsche Herangehensweise zu sein. Besser wäre es, alles auf sich zukommen zu lassen. Sie war seine Tochter, und er war ihr Vater. Ganz egal, was geschehen war, nichts änderte etwas an dieser Tatsache.
    Während der Fahrt sah er aus dem Fenster. Eingefrorene Stadtlandschaften zogen vorbei, es ging ein Stück an der Autobahn entlang und dann durch den Grunewald. Schließlich tauchte die bleigraue Oberfläche des Großen Wannsees vor seinem Fenster auf. An den Ufern ragten kahle Baumkronen in den diesigen Himmel, und Eis hatte sich an den Rändern des Sees gebildet. Arthur stieß einen Seufzer aus. Er verließ die S-Bahn und stieg in den Bus um.
    Je näher er seinem Ziel kam, desto schwerer spürte er die Last auf seinen Schultern. Das ist die Schuld, die du dir aufgeladen hast, sagte er sich. Er hatte so viel falsch gemacht mit Anna. So viel Unheil angerichtet. Es wäre nur zu verständlich, wenn Anna nicht bereit wäre, ihm zu verzeihen.
    Er spürte seine Angst, doch nun war es zu spät, einen Rückzieher zu machen. Das würde er sich nicht gestatten. Die letzten Meter bis zum Haus der Familie Brandt ging er zu Fuß. Ein kalter Wind fegte über die Straße. Es war keine Menschenseele zu sehen. Nur hie und da leuchtete Weihnachtsschmuck in den Gärten.
    Vor dem Haus seiner Tochter blieb er stehen. Er holte tief Luft. Dann gab er sich einen Ruck und ging zur Tür. Anna und er hatten seit nunmehr drei Jahren nicht mehr miteinander gesprochen. Seit dem Tod seiner Frau Sophie.
    Er hatte Anna nämlich für ihren Tod verantwortlich gemacht. Sie hatte ihrer Mutter von einer weiteren Operation abgeraten, ganz am Schluss, als sich

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