Nelson DeMille
musste, zu sagen, was er zu ihr gesagt hatte, was, wie ich gerade erfuhr, mehr war als das, worum ich ihn gebeten hatte. Aber für die Rettung seines Lebens schuldete er mir einen sehr großen Gefallen, und er wollte zu mir sagen können: »Wir sind quitt, was die Gefallen angeht, Anwalt. Niemand ist irgendjemandem irgendwas schuldig.« Allerdings lebte er nicht mehr lange genug, um mir erklären zu können, dass wir quitt waren.
Susan trat einen Schritt näher, sodass wir nur mehr Zentimeter voneinander entfernt waren. Sie sagte: »Und deswegen habe ich ihn getötet. In Ordnung?«
Ich rechnete fast damit, dass ihr Tränen über die Wangen liefen, aber Susan ist keine große Heulsuse, auch wenn ich sah, dass ihre Unterlippe bebte. »In Ordnung«, sagte ich zu ihr. »Er ist tot.«
Wir machten beide kehrt und liefen zum Haus zurück. Einer von uns hätte irgendetwas sagen können, doch es gab nichts mehr zu sagen.
25
Wir gingen durch den Rosengarten zum Patio. Irgendwo entlang des Wegs hatte Susan ihre Rose fallen lassen, aber die anderen lagen noch auf dem Tisch, und sie starrte sie an.
Ich war davon überzeugt, dass sie nach ihrem Geständnis erwartete, dass ich ging, was ich auch vorhatte, doch ich musste noch mit ihr über Amir Nasim und Anthony Bellarosa sprechen, und das wollte ich jetzt und persönlich tun, deshalb sagte ich zu ihr: »Ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen.«
Sie blickte mich an, erwiderte jedoch nichts.
»Ich bin mir sicher, dass du jetzt lieber allein sein willst, aber wenn du dich hinsetzt und mir zehn Minuten zuhörst...« »Wenn es so wichtig ist.« »Das ist es.«
»Ich brauche ein paar Minuten Zeit. Möchtest du irgendetwas?« »Wasser.«
Sie ging ins Haus, und ich stand am Korbtisch und öffnete die Schachtel, die sie mir gegeben hatte. In ihr lagen, wie sie gesagt hatte, fotokopierte Briefe von Edward und Carolyn und ein Packen Familienfotos. Ich blätterte sie durch und bemerkte ein paar Aufnahmen, auf denen meine und ihre Eltern zu sehen waren.
Mir fiel ein, dass ich einmal eine Reklame für eine Firma gesehen hatte, die Fotos retouchierte; dieses Orwell'sche Unternehmen konnte unerwünschte Personen von Fotos verschwinden lassen und den Hintergrund an der Stelle ausfüllen, an der sie gewesen waren. Ich machte mir in Gedanken eine Notiz, dass ich mich mit diesen klugen Leuten in Verbindung setzen wollte, um William und Charlotte tilgen zu lassen. Leider kann man durch das Verändern von Fotos weder die Erinnerung noch die Geschichte beeinflussen.
Ich sah die übrigen Fotos durch und stellte fest, dass kein gewagtes Bild von uns dabei war. Das brachte mich auf den Gedanken, dass ich die Nacktaufnahmen von uns trotz Emily Posts Rat nicht in den Umschlag hätte stecken sollen. Ich blickte auf den Umschlag auf dem Tisch und wollte die Fotos gerade herausziehen und in meine Jacke stecken, als die Fliegengittertür geöffnet wurde und Susan mit einem Tablett herauskam, auf dem eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser standen.
Sie wirkte jetzt gefasster - und war vielleicht auch erleichtert, dass ich nicht gegangen war, nachdem sie mit reichlicher Verspätung ihr Geständnis abgelegt hatte. Sie nickte zu den Fotos hin und sagte: »Das sind wunderbare Aufnahmen. Ich habe ganze Stapel davon, falls du sie dir irgendwann ansehen möchtest.«
»Danke.«
Sie stellte das Tablett auf den Tisch und setzte sich, worauf ich gegenüber von ihr Platz nahm. Sie goss mir Wasser ein und sagte: »Komm bitte gleich zur Sache.«
»Wird gemacht.« Ich trank einen Schluck und begann: »Erstens habe ich mit Amir Nasim Tee getrunken, und er hat mir erzählt, dass er dir das Haus abkaufen will, weil er Wert auf eine uneingeschränkte Privatsphäre legt. Ich glaube, er tut sich schwer mit kultureller Vielfalt, das heißt, er will nicht, dass eine attraktive, unverheiratete Frau mitten auf seinem Grundstück wohnt.« Ich hielt kurz inne. »Aber dann hat er mir noch erzählt, dass er sich Sorgen um seine Sicherheit macht.«
Ich ließ das einwirken, und nach ein paar Sekunden teilte mir Susan mit: »Seine Frau hat das auch schon angedeutet.«
Das überraschte mich, dann wurde mir klar, dass Nasim natürlich seine Frau einsetzte, um Susan diesen Hinweis zukommen zu lassen. Ich brachte meine Meinung vor und sagte: »Ich glaube, er ist entweder seit dem 11. September paranoid oder erfindet es, damit du ernsthaft darüber nachdenkst, ihm dieses Grundstück zu verkaufen.«
Sie dachte darüber nach.
Weitere Kostenlose Bücher