Nelson DeMille
für die Einladung.«
»Yeah. Und diesmal werden Sie nicht davonlaufen.« Willst du wetten?
Ich dachte, er würde mich aus reiner Gewohnheit bitten, meine Knarre abzugeben, aber stattdessen fragte er: »Irgendwelche Probleme am Wachhaus?«
Ich nahm an, dass mich der Wachmann wegen des »Don Bellarosa« verpetzt hatte und Anthony mir klarmachen wollte, dass er nicht amüsiert sei. »Der Mann wirkt ein bisschen schwerhörig.«
»So? Gute Mitarbeiter sind schwer zu kriegen.«
Apropos schwerhörig - ein italienischer Sänger schmetterte ein munteres Lied, das aus den Wandlautsprechern dröhnte, und Anthony musste die Musik übertönen, um meine Ankunft kundzutun: »Hey, Megan, wir haben Besuch.«
Anthony ging zu einer Stereoanlage an der Wand, stellte die Musik leiser und sagte zu mir: »Klasse Album. Es heißt Familienhits.« Er lachte. »Kapiert?«
Ich lächelte.
Während wir auf Megan warteten und Anthony mit dem Bass- und Höhenregler spielte, blickte ich mich in dem großen Vorsaal um und warf einen Blick ins Wohn- und Esszimmer. Ehrlich gesagt, war es gar nicht so übel. Ich hatte eine überladene Version von Mr Nasims scheußlichem falschen Französisch erwartet, aber Megan und wahrscheinlich ein Innenarchitekt waren auf Nummer sicher gegangen und hatten einen zeitgenössischen Vorstandsvorsitzendenstil in gedämpften Tönen gewählt. Allerdings hingen etliche am Fließband produzierte Ölgemälde vom sonnigen Italien an den Wänden, und ich entdeckte auch zwei Kruzifixe.
Megan Bellarosa betrat den Vorsaal, und ich war angenehm überrascht. Sie war Ende zwanzig, groß und schlank und hatte eine hübsches, sommersprossiges Irengesicht und blaue Augen. Ihre Haare schienen von Natur aus rot zu sein, daher wusste ich aus eigener Erfahrung, dass sie entweder zickig, überspannt oder schlichtweg verrückt war.
Sie schenkte mir ein zaghaftes Lächeln und fragte sich höchstwahrscheinlich, was zum Teufel sich ihr Mann dabei gedacht hatte, als er mich zum Familienessen einlud. »Es ist sehr nett, dass Sie mich eingeladen haben«, sagte ich zu ihr.
»Ich freue mich, dass Sie es geschafft haben«, erwiderte sie. »Wir haben jede Menge Essen.« Was mich von jeglicher Sorge entband, dass ich der Familie die letzten Rationen wegessen könnte. »Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?«
Ich trug keinen Mantel - nur einen blauen Blazer, und von dem trenne ich mich nicht so ohne weiteres, deshalb sagte ich: »Ich lasse ihn an.« Und ich dachte daran, zu sagen: »Sie haben ein schönes Zuhause.«
»Danke«, erwiderte sie. »Anthony kann Sie später rumführen.«
Ihr Akzent war eindeutig Unterschicht, desgleichen ihr pinkfarbener Polyesterkasack und die schwarze Polyesterstretchhose. In Anbetracht ihrer guten Züge jedoch könnte Professor Higgins bei ihr Wunder wirken. Ich reichte ihr das Glas mit dem Holzapfelgelee und sagte: »Es ist hausgemacht.«
Sie las das Etikett, lächelte und rief: »Ach, du meine Güte - meine Großmutter hat das auch immer gemacht.«
Das fing also schon mal gut an. Megan schenkte mir sogar ein hübsches breites Lächeln, und einen Moment lang erinnerte sie mich an Susan. Die dunklen Männer der Bellarosas standen offenbar auf den hellhäutigen nordeuropäischen Typ. Lieber Sigmund -
Bevor ich diesen Sachverhalt jedoch weiter analysieren konnte, sagte Anthony: »Hey, meine Mutter kann's kaum erwarten, Sie zu sehen. Kommen Sie mit.«
Ich folgte Anthony und Megan durch den Vorsaal in eine große, sonnige Küche, und an der Kochinsel in der Mitte stand Anna Bellarosa und schnitt Käse. Als sie mich bemerkte, ließ sie ihr Messer fallen, wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab, stürmte auf mich zu und rief: »John! O mein Gott!«
Ich wappnete mich für den Aufprall und streckte die Arme aus, dann stießen wir zusammen. RUMS! Sie umarmte mich, und ich legte die Arme um sie und keuchte: »Anna ... Sie sehen großartig aus ... «
Vor dem Aufprall hatte ich gesehen, dass sie ein paar Pfund zugenommen hatte, und die spürte ich jetzt, als sie mir die Luft aus der Lunge quetschte. Und als wollte sie meine Atemnot noch verstärken, trug sie einen Blütenduft, der alles Übrige übertönte.
Wir lösten uns voneinander, worauf ich ihre Hände hielt, damit sie die Arme nicht noch mal um mich schlingen konnte, und sie musterte. Ihr Gesicht war noch immer cherubinisch, was durch den roten Lippenstift und das Rouge noch betont wurde, und unter der Schminke wirkte ihre Haut jung. Mediterrane
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