Nelson DeMille
mir doch gedacht, dass Sie das sind. Wie geht's Ihnen?«
»Mir geht es sehr gut. Und wie geht's Ihnen?«
»Prima.«
Ich sah, dass sich auf dem Rücksitz etwas bewegte, und hielt mich fahrbereit, den Fuß über dem Gaspedal. Aber wenn ich den Karabiner auf dem Schoß gehabt hätte, wäre mir wohler gewesen.
»Was ham Se vor?«
Dieser Idiot stellte immer dieselben blöden Fragen, und ich erwiderte: »Den üblichen Mist.«
»So? Wie geht's Mrs Sutta?«
Fast hätte ich »Leck mich« gesagt, aber stattdessen fragte ich: »Wo ist Ihr Boss?«
Tony lächelte, und wenn wir einander näher gewesen wären, hätte ich ihm meine Faust ins Gesicht gedroschen. Sein Grinsen wurde noch breiter, als er erwiderte: »Weiß ich nicht. Warum wolln Se das wissen?«
Ich achtete teils auf Tony, teils auf die Bewegungen hinter ihm. »Bestellen Sie ihm, dass ich ihn suche.«
»Aha? Und warum suchen Se ihn?«
Ich erinnerte mich, dass diese Gespräche mit Tony schon seinerzeit, als er noch unter Anthony firmierte, nie sehr aufschlussreich oder sinnvoll gewesen waren. »Mir sind ein paar alte Sachen über seinen Vater eingefallen, die ich ihm erzählen wollte«, erwiderte ich.
»So? So was hört er gern. Ich auch. Erzähln Se's mir.«
Nun ja, er hatte darum gebeten, also sagte ich: »Wenn Frank ein bisschen länger gelebt hätte, hätte er Sie an die FBIler verpfiffen, und Sie säßen immer noch im Knast.«
»Hey, leck mich.«
»Nein, Sie können mich, Tony. Und Ihr Boss ebenfalls, und zwar kreuz...«
Die getönte hintere Scheibe senkte sich, und ich hätte um ein Haar das Lenkrad herumgerissen und den Escalade gerammt, aber es war Kelly Ann, die sagte: »Sie haben geflucht! Nicht fluchen!«
Ich atmete tief durch, bevor ich erwiderte: »Tut mir leid, meine Süße.« Ich wandte mich an Tony. »Bestellen Sie Ihrem Boss, er soll sich nicht verstecken, sondern wie ein Mann benehmen.«
Tony hätte »Leck mich« gesagt, aber Kelly Ann lag auf der Lauer, und ich hörte, wie Frankie, der neben ihr saß, seine ältere Schwester nachäffte. »Nicht fluchen! Nicht fluchen!«
»Ich bestell ihm, was Sie gesagt harn.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen. Aber ich würde es ihm gern persönlich sagen.«
»Yeah. Wir befassen uns damit.«
»Gut. Und schönen Gruß an die künftige Witwe.«
Das brachte ihn sichtlich durcheinander, dann kapierte er es und sagte: »Yeah, Ihrer auch«, was nicht ganz die richtige Antwort war, aber ich kapierte es.
Wir fuhren unsere Fenster hoch und gingen unserer Wege.
Stellte sich die Frage: »Warum machst du alles noch schlimmer?« Und die Antwort lautete: »Schlimmer kann es gar nicht werden, folglich spricht nichts dagegen, den Typen ordentlich anzupissen, der dich ohnehin umbringen will.« Mir war sogar wohler zumute, und möglicherweise ließ er sich zu einem Fehler verleiten. Und mehr wollte ich nicht - einen Fehler seinerseits, damit ich ihn meinerseits umbringen konnte.
VIERTER TEIL
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
2. Mose 20.12
Ich sage Ihnen, zwischen Eltern und Kind ist eine Wand, zehn Fuß dick und zehn Meilen hoch.
George Bernard Shaw Falsch verbunden
49
Es war zehn nach fünf, und der Regen hatte sich eingestellt, die Stanhopes hingegen noch nicht. Aber Susan versicherte mir: »Sie haben vor zehn Minuten angerufen und kommen gerade von der Schnellstraße.« Sie nannte mir die ungefähre Ankunftszeit, worauf ich mir einen zweiten Dewar's mit Soda genehmigte.
Susan und ich waren in der Küche, und Sophie hatte auf der Kochinsel Horsd' œuvres angerichtet, die ich nicht anrühren durfte. Außerdem war die Frau vom Partyservice eingetroffen und hatte mit Susan ein paar Menüs für die Tage bis zum Wochenende abgesprochen. Zudem sollte Sophie in den nächsten fünf Tagen unten im Dienstmädchenzimmer wohnen. Das war für Susan natürlich praktisch, und zugleich hatten William und Charlotte dadurch jemanden, den sie außer ihrer Tochter herumkommandieren konnten, und es stellte sicher, dass wir die Stimme senken mussten, wenn es zu einem Wettschreien kam.
Das Telefon klingelte, und Susan sprach mit jemandem und sagte: »Ja, wir erwarten sie.« Sie legte auf. »Es ist der Florist, endlich.« Und sie teilte mir mit: »Am Tor sind jetzt Wachmänner. «
Ich gab keinen Kommentar dazu ab. Soweit ich mich aus meinem letzten Leben entsann, nahmen William und Charlotte weder wahr, was Susan alles für sie tat, wenn sie zu Besuch kamen, noch zeigten sie sich dafür erkenntlich. Obwohl
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