Nelson DeMille
wandte sich William an mich und fragte: »Was ist mit dir, John? Wie kommst du in London zurecht?«
Er scherte sich eigentlich keinen Pfifferling darum, wie ich in London zurechtkam, und ich erkannte aus langer Erfahrung, dass die Frage ein Vorspiel zu etwas war, das nur wenig mit interessierter Höflichkeit zu tun hatte.
»London ist prima«, erwiderte ich.
»Arbeitest du?«, fragte er.
»Ich habe immer gearbeitet.«
»Du bist drei Jahre um die Welt gesegelt«, erinnerte er mich, bevor er großmütig einräumte: »Nun, ich nehme an, das ist eine Menge Arbeit.«
Am liebsten hätte ich ihn zu einem langen Segeltörn mit mir eingeladen, aber vermutlich ahnte er, dass er nicht zurückkommen würde. »Es war eine Herausforderung.«
»Davon bin ich überzeugt.« Er lächelte. »Und, hattest du in jedem Hafen eine Frau?«
»Diese Frage gehört sich nicht im Beisein deiner Tochter.«
Tja, damit war die Show gewissermaßen zu Ende, aber Susan mischte sich ein und sagte: »Dad, die Vergangenheit liegt hinter uns.«
William machte einen Rückzieher, wie alle Feiglinge. »Nun, ich wollte kein heikles Thema anschneiden.«
»Das ist kein heikles Thema«, versicherte ihm Susan. »Dieses Thema ist beendet.«
»Natürlich«, sagte Mr Verständnisvoll. Dann besaß er die Frechheit, mich zu fragen: »Wie kommt es, dass du in all den Jahren nicht wieder geheiratet hast, John?«
»Ich bin nur mit verheirateten Frauen gegangen.«
William fand das nicht so komisch, aber Charlotte schien sich mit meiner Erklärung zufriedenzugeben, auch wenn sie meinte: »Das klingt so, als ob du all die Jahre mit Frauen vergeudet hast, die nicht in Frage kamen.«
»Darf ich euch beiden noch einen Drink bringen?«, fragte Susan.
Mom und Dad schüttelten den Kopf, und William teilte uns mit: »Wir trinken nie mehr als drei Martinis.«
Hä? »Ihr hattet erst zwei«, wandte ich ein.
»Wir hatten einen, bevor du gekommen bist.«
»Das zählt nicht«, sagte ich und fügte hinzu: »Ich trinke nicht gern allein.« »Tja ... na schön.«
Ich stand auf und wollte davonlaufen, um noch zwei zu machen, aber in diesem Moment steckte Sophie den Kopf durch die Tür und fragte Susan: »Brauchen Sie noch etwas?«
William, der Haushaltshilfen wie Leibeigene behandelt, erwiderte: »Noch zwei Martinis, und räumen Sie die Platten weg, und bringen Sie frische und saubere Servietten.« Er wandte sich an Susan: »Zeig ihr, wie man einen Martini macht.«
Susan stand auf, Sophie räumte die Platten weg, dann verließen sie gemeinsam das Wohnzimmer. Charlotte entschuldigte sich, um auf die Toilette zu gehen, und mit einem Mal war ich mit William allein.
Wir schauten einander an, und ich sah, wie seine gelben Augen schmaler wurden und Hörner durch die Haare spitzten. Rauch drang aus seinen Nasenlöchern, und seine orthopädischen Schuhe platzten auf und Hufe kamen zum Vorschein. William griff hinter sich und spielte mit seiner spatenförmigen Schwanzquaste.
Vielleicht bildete ich mir das nur ein. Seine Augen wurden allerdings tatsächlich schmaler.
Keiner von uns sagte etwas, bis er mich schließlich ansprach: »Das macht uns gar nicht glücklich, John.«
»Tja, das tut mir leid. Aber deine Tochter ist glücklich.«
» S ie meint vielleicht, sie sei glücklich. Susan war nach Dans Tod einsam, und sie war nach den Terroranschlägen ziemlich beunruhigt, und in den letzten Monaten hat sie sich mit der Vergangenheit beschäftigt.«
Ich schwieg, und er fuhr fort: »Ich will dir damit sagen, John, dass sie nicht ganz bei sich ist, und was du jetzt siehst, ist möglicherweise nicht das, was du in ein paar Monaten siehst.«
»Ich weiß es zu schätzen, dass du mich von einem Fehler abhalten willst«, erwiderte ich, »und ich bin tief gerührt, dass du dir Sorgen um meine Zukunft machst.«
Seine Augen verengten sich erneut. »Du bist uns eigentlich gleichgültig.« »Habe ich irgendwas Falsches gesagt?«
»Und wir glauben, dass es Susan genauso geht. Sie ist durcheinander. Wir kennen unsere Tochter und glauben, dass es nur eine Phase ist, die vergehen wird.«
»Dann solltest du ihr sagen, was du von ihrem Geisteszustand hältst. Sonst mache ich es.«
Er beugte sich zu mir und sagte leise: »Wir müssen das besprechen, John, unter Männern.«
»Von mir aus gern.« Aber bring deinen eigenen Mann mit, du Scheißkerl; ich besorge keinen für dich.
William kam zum Kern der Sache. »Menschen in unserer Position - ich meine, Charlotte und ich - müssen sehr
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