Nelson DeMille
der Sekunde vor dem Schuss, dass es für ihn vorbei war?
Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie schnell es vor Giulio's gegangen war - im Grunde genommen begriff ich nicht, was geschah, bis es vorüber war. Da es für so was keinerlei Bezugspunkt in meinem Leben gab, hatte mein Verstand nicht erfassen können, was meine Augen sahen. Ich nahm nicht mal wahr, wie Vinnies Gesicht in einer Wolke aus Blut, Hirnmasse -
»Mr Sutter?«
»Ja...«
»Sie wollen vielleicht nicht, dass Mrs Sutter das im Fernsehen sieht.«
Ich warf einen Blick zu Susan, die sich auf der Couch eingerollt hatte und ins Leere starrte. »Sie haben recht«, erwiderte ich.
»Und vielleicht sollten Sie morgen auch keine Boulevardblätter herumliegen lassen.«
»Okay ... nun ja, ich glaube, das beantwortet die Frage, ob Anthony Bellarosa am Leben ist.«
»Ganz recht. Ich glaube, wir sollten davon ausgehen, dass er den Mord angeordnet hat. Es kommt mir wie eine Botschaft vor, die er den Kollegen seines Onkels zukommen lassen wollte und die da heißen soll, genau das ist meinem Vater im Beisein meiner Mutter passiert.«
»Ja ... nun ja, ich hätte Anthony einen derartig theatralischen Auftritt oder eine so symbolische Tat gar nicht zugetraut, aber vielleicht steckt doch ein bisschen was von seinem Vater in ihm.« Vielleicht wusste er mein Verhalten also doch zu würdigen, als ich sein Bild zerschlitzte; sein Vater hätte es gekonnt.
Mr Mancuso schwieg einen Moment, dann sagte er: »Auch ich war überrascht darüber, wie dieser Mord vonstattenging. Ich hatte etwas ... Ruhigeres erwartet. Ein Verschwinden, damit man nicht so viel öffentliches Aufsehen erregt oder das Auge des Gesetzes auf sich lenkt. Und selbst wenn es auf offene Gewalt hinauslaufen sollte, hätte ich nicht gedacht, dass Anthony so offensichtlich klarmachen würde, dass er dahintersteckt. Er hätte den Killer genauso gut sagen lassen können: >Schönen Vatertag, Onkel Sal.< Dieser Mord wird ihm ein paar Probleme bereiten. Und das bringt uns zu einem anderen Thema.« Weil ich nichts erwiderte, fuhr Mancuso fort: »Es könnte möglich sein, wie wir ja bereits besprochen haben, dass Anthony sein Augenmerk nun Mrs Sutter oder Ihnen zuwendet.«
Wieder sah ich zu Susan, die meinen Blick jetzt erwiderte. Sie musste das hören, deshalb schaltete ich den Lautsprecher ein, legte den Hörer beiseite und sagte zu Mancuso: »Susan ist wieder da.«
»Okay. Aufgrund des Tathergangs bin ich mir ziemlich sicher, dass Anthony in dieser Woche verreist ist und das auch beweisen kann, wenn wir ihn nach seinem Alibi fragen. Auf jeden Fall nehme ich an, dass er sich, wo immer er auch sein mag, noch etwa eine Woche bedeckt halten wird oder zumindest so lange, bis er sich sicher ist, dass er als unumstrittener Boss heimkehren wird. Wahrscheinlich wird er warten, bis sein Onkel beerdigt wurde, aber er könnte sogar dort auftauchen. «
»Tja, das sollte er auch, wenn er die Ursache für diese Beerdigung ist«, wandte ich ein.
Mr Mancuso gluckste kurz, aber Susan lächelte nicht.
»Anthonys Abwesenheit hindert ihn allerdings nicht daran, sich um die hiesigen Angelegenheiten zu kümmern, wie der Mord an Mr D'Alessio beweist«, warnte er uns. »Im Gegenteil, wenn es noch mehr solche Angelegenheiten gibt, werden sie möglicherweise erledigt, solange Anthony noch verreist ist.«
Susan dachte darüber nach und fragte dann: »Und was sollen wir Ihrer Meinung nach tun?«
»Ich rate Ihnen, zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen zu ergreifen und vielleicht einen persönlichen Leibwächter zu engagieren.«
»Das hat Onkel Sal auch nichts genützt«, warf ich ein.
»Nein, hat es nicht. Aber Ihr Leibwächter wird doch hoffentlich nicht für die andere Seite arbeiten. Außerdem rate ich Ihnen beiden, so weit wie möglich innerhalb der Sicherheitszone auf Stanhope Hall zu bleiben. Unterdessen werde ich die Bezirkspolizei bitten, zu prüfen, ob man rund um die Uhr einen Personenschutz für Sie abstellen kann. Außerdem habe ich angefragt, ob meine Dienststelle Ihnen
ein, zwei Agenten zuteilen kann, aber offen gesagt, sind wir seit dem 11. September etwas knapp an Personal.«
Susan warf mir einen Blick zu, dann fragte sie Mancuso: »Wie lange sollen wir so leben?«
»Ich wünschte, ich könnte es Ihnen sagen«, erwiderte er und versuchte uns aufzumuntern: »Bellarosa wird bald auftauchen, oder wir werden ihn ausfindig machen. Und wenn das geschieht, wird ihn die New Yorker Polizei wegen des Mordes an
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