Nelson DeMille
geheiligter Gatte, Frank der Bischof Bellarosa, das unschuldige Opfer einer bösen, kaltblütigen Mörderin war. Komm schon, Anna, dein Mann war ein berüchtigter Mafia-Don, wahrscheinlich ein Mörder und mit Sicherheit ein Ehebrecher, der mit mehr Frauen gevögelt hat, als er daheim Spaghettis verdrückte. Um also einen Spruch zu gebrauchen, den sie verstehen würde, hätte ich sagen sollen: Früher oder später rächt sich alles. Und außerdem, Anna, wenn jemand in der Hölle schmoren sollte, dann ist es dein Mann. Stattdessen aber sagte ich: »Okay, Anna - Tony möchte mit Ihnen -«
»Sie sollten nicht dort essen. Sie wissen nicht, was die ins Essen tun.«
»Okay -«
»Wenn Sie das nächste Mal in Brooklyn sind, schauen Sie auf einen Kaffee vorbei oder kommen Sie zum Abendessen in Tonys Haus. Nächsten Sonntag. Ich koche.«
»Danke. Passen Sie auf sich auf.« Und ich fügte ein »Ciao« hinzu und gab Anthony, der für seine Mama immer Tony bleiben wird, das Handy zurück.
»Yeah, Ma«, sagte er ins Telefon. »Ich muss - okay, okay. Stanco's.« Er hörte zu, dann sagte er: »Ich sag ihr, dass sie dich anrufen soll. Sie ist mit den Kids beschäftigt, Ma. Du kannst ihr sagen -«
Armer Tony. Harriet Sutter gewann allmählich echte Sympathiepunkte.
Schließlich beendete er das Gespräch, knallte das Telefon auf den Tisch, kippte sich seinen restlichen Scotch hinter die Binde und sagte: »Was ist der Unterschied zwischen einer italienischen Mutter und einem Rottweiler?«
»Was?«
»Der Rottweiler lässt irgendwann los.« Ich lächelte.
Anthony zündete sich eine Zigarette an und schwieg eine Weile, bevor er mich fragte: »Worüber hat sie gesprochen?« »Über Ihren Vater.«
Er nickte, und wir ließen das Thema fallen beziehungsweise, dessen war ich mir sicher, vertagten es auf später.
Die Bedienung brachte uns zwei Scotch, stellte jedem von uns ein Glas hin und erkundigte sich dann: »Sie jetzt wollen bestellen?«
»Wir haben keine Speisekarte, verflixt noch mal«, erklärte ihr Anthony und fügte hinzu: »Cretina.«
Vielleicht hätte ich Stanco's vorschlagen sollen.
Anthony hob sein Glas, worauf ich meines ebenfalls hob. Wir stießen an, und er sagte: »Salute«, und ich sagte: »Cheers.«
Er sagte in Bezug auf seine Mutter: »Sie und Megan - das ist meine Frau -, sie kommen nicht miteinander klar.«
»Das kann schwierig sein.«
»Yeah. Schwierig. Megan ist Irin, müssen Sie wissen, und sie haben unterschiedliche ... wie nennt man das ...?« »Ethnische Traditionen? Kulturelle Bräuche?«
»Yeah. Jedenfalls ist es nicht so, als hätte ich 'ne Melanzana geheiratet oder so was Ähnliches.«
»Stimmt.« Melanzana heißt Aubergine, und Gemüse heiratet man normalerweise nicht, aber die Italiener benutzen die Bezeichnung auch für eine Schwarze. Mir fiel alles wieder ein. Die Rechnung bitte.
Zum Thema Eheglück im Stadtrandgebiet und weil ich neugierig war, fragte ich: »Wie gefällt Ihnen das Leben in den Alhambra-Anlagen?«
Er zuckte die Achseln. »Es ist ganz okay ... aber ich würde gern in die Stadt zurückziehen. In New York gibt's 'ne Million gutaussehender Bräute.«
»Das sollte einen verheirat eten Mann nicht interessieren.«
Er fand das komisch und sagte: »Ich hatte sie fast so weit gebracht, wieder in die Stadt zu ziehen, aber nach dem 11. September konnte ich's vergessen.«
»Das hier ist ein schöner Ort, um Kinder großzuziehen.«
»Yeah. Ich habe zwei. Einen Jungen, Frank, fünf Jahre alt, und ein Mädchen, Kelly Ann - Ann nach meiner Mutter. Kelly ist Megans Mädchenname. Meine Mutter - Sie wissen ja, wie sie sind« - er versuchte sich an einer schlechten Imitation von Mamas Stimme - »>Tony, was soll dieses >Kelly Die einzigen Kellys, die ich in Williamsburg kenne, sind Säufer.<« Er lachte, dann wurde ihm klar, dass er gegen die Regel verstoßen hatte, wonach man nie etwas Negatives über la famiglia äußern durfte. »Vergessen Sie das.«
Er kehrte zum Thema Leben auf dem Lande zurück und sagte: »Wissen Sie, dass die Straße, die an den Grundstücken vorbeiführt, Privatbesitz ist? Die Grace Lane ist privat.«
»Das weiß ich.«
»Yeah, tja, sie ist zerbröselt, und diese geizigen Mistkerle an der Straße wollten sie nicht neu asphaltieren lassen. Also hab ich's von einer meiner Firmen als Gefälligkeit machen lassen.«
Das war interessant, und es verriet etwas über Anthony. Sein Vater hatte sich nicht darum geschert, was man von ihm hielt, solange man ihn
Weitere Kostenlose Bücher