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Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Vermächtnis
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Essen mögen?«, fragte er. »Nein. Warum?«

»Weil man mit Stäbchen stundenlang essen kann, ohne zuzunehmen.« Ich hoffte, dass sein Repertoire damit erschöpft war.
    Ich bemerkte, dass Anthony ebenso wie Tony einen Flaggensticker am Revers trug, und erinnerte mich, dass Frank und seine Freunde eine Art primitiven Hurrapatriotismus zur Schau getragen hatten, der größtenteils auf Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und einer nachhaltigen Immigranteneinstellung beruhte, mit der man sagen wollte: »Amerika ist ein großartiges Land.«
    Das ist es in der Tat, und trotz manch schwerer Probleme erkannte ich das jetzt deutlicher, nachdem ich drei Jahre lang um den Globus gereist war und seit sieben Jahren in London lebte. England ist zwar ein gutes Land für einen Amerikaner im selbstgewählten Exil, aber es ist nicht meine Heimat, und mit einem Mal wurde mir klar, dass ich zu Hause war. Daher sollte ich vielleicht aufhören, den Auswanderer auf einer Stippvisite in die Staaten zu spielen.
    »Und, wie lange bleiben Sie?«, fragte Anthony, als könnte er meine Gedanken lesen.
    Das, so nehme ich an, war die Schlüsselfrage, und die Antwort darauf entschied, ob wir über irgendwelche Geschäfte sprechen mussten. Daher sollte ich mir die Antwort sorgfältig überlegen.
    »Sind Sie sich da immer noch unschlüssig?«
    »Ich ... tendiere zum Bleiben.«
    »Gut. Gibt auch keinen Grund, wieder abzureisen. Hier spielt die Musik.«
    Genau genommen war das ein guter Grund, nach London zurückzukehren.
    Anthony griff in seine Tasche, und ich dachte schon, er wollte seine Knarre ziehen. Stattdessen brachte er einen Flaggensticker zum Vorschein und legte ihn vor mich hin. »Wenn Sie hierbleiben, sollten Sie den tragen.«
    Ich ließ ihn auf dem Tisch liegen und sagte: »Danke.«
    »Stecken Sie ihn ans Revers«, forderte Anthony mich auf. Er tippte auf die Flagge an seinem Revers, und als ich seiner Anweisung nicht folgte, beugte er sich vor und steckte die Flagge an den linken Aufschlag meines blauen Blazers. »Das hätten wir«, sagte er. »Jetzt sind Sie wieder ein Amerikaner.«
    »Meine Familie lebt seit über dreihundert Jahren in Amerika«, klärte ich ihn auf.
    »Wirklich? Warum haben sie so lange gewartet, nachdem Kolumbus Amerika entdeckt hat?«, fragte er. »Ich habe Geschichte als Hauptfach studiert. Ich war ein Jahr auf dem College. New York University. Ich habe mir das Hirn verrenkt.«
    Das sah ich.
    »Ich habe jede Menge über die alten Römer gelesen. Der Scheiß interessiert mich. Wie sieht's bei Ihnen aus?«
    »Ich habe acht Jahre Latein gelernt und konnte Cicero, Seneca und Ovid im Original lesen.«
    »Ohne Scheiß?«
    »Im letzten Jahr auf dem College wurde ich dann von einem Baseball am Kopf getroffen, und jetzt kann ich nur noch Italienisch lesen.«
    Er hielt das für komisch, wurde dann ernst und sagte: »Ich will darauf hinaus, dass dieses Land meiner Ansicht nach so wie Rom ist, als das Imperium in ernste Schwierigkeiten geriet. Verstehen Sie?«
    Ich antwortete nicht.
    »Wie wenn zum Beispiel die Zeiten der Republik vorbei sind. Wir sind jetzt eine imperiale Macht, deshalb will sich jedes Arschloch da draußen mal mit uns anlegen. Richtig? Wie diese Scheißkerle am 11. September. Außerdem können wir unsere Grenzen nicht kontrollieren, genau wie die Römer, deshalb haben wir zehn Millionen Illegale, die nicht mal die Sprache können und sich einen Scheiß um das Land scheren. Die wollen bloß ein Stück vom Kuchen abhaben. Und die Arschlöcher in Washington hocken rum und streiten sich, genau wie der römische Senat, und das verfluchte Land geht zum Teufel, während die Irren wegen ihrer Rechte zetern und die Scheißbarbaren an der Grenze stehen.« »In welchem Buch stand das?«
    Ohne darauf einzugehen, setzte er seine Leier fort: »Die Scheißbürokraten hocken auf ihren Ärschen, die Männer in diesem Land verhalten sich wie Weiber, und die Weiber verhalten sich wie Männer, und allen geht's bloß um Brot und Spiele. Verstehen Sie, was ich sagen will?«
    »Ich kenne die Argumentation, Anthony. Wenigstens ist das organisierte Verbrechen so gut wie ausgemerzt.«
    Er drückte seine Zigarette aus. »Glauben Sie?«
    Anthony war ein Musterbeispiel dafür, dass Halbwissen gefährlich ist. In Anbetracht des Zweckes dieses Abendessens fragte ich ihn: »Und was wollen Sie über Ihren Vater erfahren?«
    Er zündete sich eine weitere Zigarette an und lehnte sich zurück. »Ich möchte bloß, dass Sie mir erzählen ... wie Sie

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