Nelson sucht das Glück
bei den Mischlingswelpen die Schwänze abzutrennen, vermutlich, weil auch sie für Hunde, die nicht reinrassig waren, nicht allzu viel Interesse aufbrachte.
Normalerweise kupierte Mrs Anderson ihre Welpen, wenn sie zwei oder drei Tage alt waren, doch besonders begeistert war sie nicht davon. Manche Leute behaupteten, die kleinen Hunde würden nichts spüren, doch sie wusste, dass das nicht stimmte, denn sie jaulten immer schrecklich, wenn sie sie mit beiden Händen festhielt und ihnen mit einem scharfen Messer den Schwanz abtrennte. Es brach ihr jedes Mal das Herz, wenn sie hinterher ein antiseptisches Mittel auftrug und den verbliebenen Rest des Schwänzchens bandagierte. Doch sie wusste, dass die Welpen meist nach einem Tag wieder ganz normal waren und dass die Prozedur unverzichtbar war, wenn sie für ihren Wurf einen anständigen Preis erzielen wollte.
Doch bei Nelson und seinen Geschwistern hatte es ihr aus irgendeinem Grund widerstrebt, die Ruten der Hunde zu kupieren. Wenn die Welpen Mischlinge waren, dachte sie sich, dann gab es eigentlich auch keine Veranlassung dazu. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie diese Welpen in ihrem späteren Leben einmal aussehen würden, und fand, dass sie ja vielleicht von dem profitieren könnten, was ihre Großmutter das » fünfte Bein« eines Hundes genannt hatte. Sie hatte immer behauptet, ein Schwanz diene einem Hund beim Gehen dazu, das Gleichgewicht zu halten.
Emil jedoch war davon überzeugt, wenn er die Welpen verkaufen wollte, dann musste er sie kupieren. Selber hatte er das nie getan, und so würde er wohl so bald wie möglich einen Termin beim Tierarzt machen müssen, was seinen Profit bei diesen vermaledeiten Hunden noch weiter schmälern würde. Dabei fiel ihm ein, dass er noch einen kleinen Schaukäfig ganz unten an seiner Welpenpräsentationswand frei hatte. Dort hinein würden die beiden Promenadenhunde vorerst kommen, doch wenn sie sich nicht verkauft hatten, sobald die neue Lieferung Zwergspitze kam, mussten sie weg.
Der Tierladen war sauber, hell und gut gepflegt. Emils Kundschaft war im Allgemeinen gut betucht, und er hatte schon frühzeitig begriffen, dass sie gerne einen Laden besuchten, der eine gewisse Klasse zeigte. Es gab viele Regale mit allerlei Zubehör für Katzen und Hunde, und die Welpen saßen alle in kleinen Schaukäfigen oder Vitrinen, welche die hohe Wand an der einen Seite des Ladens säumten. Die Welpenwand war aus hellem Blech gefertigt, und jede Box darin war gut erleuchtet. Aus einem zentralen System kam Wasser, das die Welpen aus einem Rohr schlecken konnten, wenn sie Durst hatten. An jeder Seite der Boxen standen kleine Näpfe mit Welpentrockenfutter. Aus Emils Hinterzimmer führten mehrere Türchen in jeweils eines der Abteile.
Die Vorderseite des Welpenabteils war mit Glas abgedeckt. Damit hinderte man potentielle Käufer daran, ihren Finger hineinzustecken und die Welpen daran lecken oder knabbern zu lassen, denn Emil hatte Sorge, irgendeine der » reichen Schlampen« könnte ihn gerichtlich belangen, wenn einer der Welpen einmal zu fest zukniff. Deshalb musste ein Kunde darum bitten, dass man den Welpen für ihn in eine Art Laufstall setzte, damit er oder sie dort eine Weile mit ihm spielen konnte.
Der kleine Käfig aus hellem Metall, in dem Nelson und seine Schwester untergebracht worden waren, war auf seltsame Weise geruchsarm. Da war nur der Geruch des Wassers, der sich jedoch von dem des Wassers auf der Farm unterschied. Das Tierladenwasser roch nach allerlei Chemikalien, und Nelson versuchte, so lange wie möglich zu vermeiden, davon zu trinken. Außerdem war da der ferne Geruch anderer Welpen, doch schien das Metall der Box die meisten Gerüche abzuschirmen. Nelson und seine kleine Schwester trösteten sich damit, dass sie sich eng aneinanderkuschelten. Der Körperduft seiner Schwester war stark, und in ihrem Fell roch es noch immer schwach nach ihrer Mutter Lola und Mrs Anderson. Er holte tief Luft und sog ihn genüsslich ein, obwohl er nicht wissen konnte, dass diese herrlichen Gerüche in wenigen Tagen für immer verschwunden sein würden.
Es gab auch noch einen anderen, fremden Geruch in dem Abteil, und das waren die trockenen Futterbrocken, die in einem kleinen Napf in einer Ecke standen. Nelson wusste, dass das Hundefutter war. Mrs Anderson hatte es ihnen in begrenztem Maße gegeben, zusammen mit der Milch, dem Brot und anderen leckeren Dingen, die sie ihnen aus ihrer Küche mitbrachte. Doch eigentlich
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