Nelson sucht das Glück
daran. Der Mann schmeckte salzig und verschwitzt und ziemlich gut. Er reagierte mit einem Kraulen und einem Lächeln, fuhr dabei aber mit dem Singen fort, und Nelson leckte ihm noch einmal die Hand. Es war Wochen her, seit er das letzte Mal wirklichen Kontakt zu einem Menschen gehabt hatte, und er hatte ganz vergessen, wie gut, wie natürlich sich das anfühlen konnte.
Thatcher selbst hörte spätnachts gerne Willie-Nelson-Songs, wenn er sich entspannen wollte, und so hatte er keinen Grund dafür gesehen, warum der kleine Hund nicht ebenso positiv auf diesen Gesang reagieren sollte. Nachdem er ein paar Minuten mit dem kleinen Kerl gespielt hatte, versuchte Thatcher, ihn auf den Arm zu heben, damit er ihn zum Lastwagen mitnehmen konnte, doch der Hund entwischte und knurrte ihn an. Thatcher blieb stehen, streckte die Hand wieder aus und sang noch etwas von Willie Nelson. Ganz vorsichtig leckte ihm der Hund wieder die Hand ab. Schließlich stand Thatcher langsam auf und ging mit kleinen Schritten in Richtung Lastwagen zurück, wobei er den Hund keinen Moment aus den Augen ließ. Der Hund folgte ihm, immer auf der Hut. Als er bei seinem Führerhaus angekommen war, sprang Thatcher hinein und holte den noch warmen Hamburger, den er sich eigentlich fürs Frühstück aufgehoben hatte. Er brach ein Stück davon ab und sprang wieder aus dem Wagen. Der Hund stand ein paar Meter von ihm entfernt. Thatcher lockte ihn mit dem Hamburgerbrocken zu sich.
Nelson schnupperte. Der Burger roch gut und frisch. Frisches Fressen war etwas ganz anderes als all die Reste, die er auf dem Müllplatz verspeist hatte. Eigentlich hatte er keinen großen Hunger, aber er machte dennoch einen Satz vorwärts und verschlang den Leckerbissen aus Thatchers Hand. Innerhalb von ein paar Minuten war die Hälfte des Hamburgers weg. Als Thatcher wieder versuchte, ihn hochzuheben, ließ Nelson es zu. Oben im Führerhaus bekam er auch den Rest des Burgers, und Thatcher streichelte ihn und freute sich über seinen Appetit. Zwar war der starke Geruch des kleinen Hundes ihm unangenehm, doch so spät in der Nacht war er einfach zu müde, um ihn zu baden. Stattdessen machte er die Fenster seines Lastwagens so weit auf, dass Nelson ihm leicht hätte entwischen können, wenn er das gewollt hätte. Doch als Thatcher schließlich laut schnarchend zusammensank, rollte sich der kleine Hund zu seinen Füßen ein und schlief bald tief und fest. Es war warm in dem Führerhaus, und die Luft roch gut, wenngleich ein wenig nach Zigarrenrauch. Einen ganzen Monat lang hatte Nelson nicht mehr etwas gerochen, das seinem Zuhause bei Katey so sehr ähnelte.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, brummte der Lastwagen bereits durch offenes Land. Zuerst war der Hund verwirrt von dem lauten Rumpeln, mit dem der LKW über den Asphalt rollte. Nelson rutschte auf dem Rücksitz hin und her, als der Laster an einer engen Kurve langsamer wurde und zur Seite ausscherte. Doch die Fenster waren immer noch offen, und der Geruch von Gras erfüllte Nelsons kleines Herz. Drüben auf dem Fahrersitz sang Thatcher aus vollem Hals zur Musik eines Country-Senders. Nelson entspannte sich und spürte, wie sein Schwanz zuckte und schließlich wild zu wedeln begann, ohne dass er etwas dagegen tun konnte.
13
Thatcher Stevens war ein einsamer Mensch, obwohl er sich dieses betrüblichen Zustandes gar nicht recht bewusst war. Wenn er über sein Leben nachdachte, befand er es für gut. Es gab weder eine Ehefrau noch Kinder, die ihm ein Klotz am Bein gewesen wären. Was er verdiente, gehörte ihm, und er konnte damit machen, was er wollte. Er hatte einen interessanten Job, der ihn immer wieder an neue Orte führte, wodurch er schon viele der schönsten Fleckchen seiner Heimat Amerika gesehen hatte. Er wusste, andere hätten sich gewünscht, so viel reisen zu können. Während seiner Jugend war er oft Zeuge von Streitigkeiten zwischen seiner Mutter und seinem Vater gewesen. Seine Mutter wollte furchtbar gerne die Welt sehen, hatte jedoch einen ausgesprochenen Stubenhocker geheiratet. Das war zwar nicht der Grund für das Scheitern ihrer Ehe gewesen, aber Thatcher wusste, dass es zum Ende der Beziehung beigetragen hatte. Als er vor zwölf Jahren den Beruf des Lastwagenfahrers ergriffen hatte, wurde ihm schon bald bewusst, was seiner Mutter gefehlt hatte. Herumzureisen war wie eine tägliche Adrenalinspritze. Er genoss es sehr, jeden Tag an einem anderen Ort zu sein, neue Leute kennenzulernen und jeden Tag andere
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