Nelson sucht das Glück
ihn die Kellnerinnen, die ihn beim Namen kannten, oft nur ein oder zwei Mal im Jahr sahen. Seine blitzenden blauen Augen blieben einfach im Gedächtnis haften. Und so ließen sie ihn den kleinen Hund mit ins Restaurant nehmen. Nelson saß brav auf dem Sitz neben Thatcher in seiner Nische, während der die Speisekarte studierte. Anschließend fütterte er ihn heimlich mit kleinen Stückchen seines Steaks und mit Pommes frites und gab ihm sogar von dem Apfelkuchen mit Sahne ab, den er sich zum Nachtisch bestellte und den Nelson gierig hinunterschlang. In der Zeit, die Nelson bei Thatcher verbrachte, würde er sich schon bald daran gewöhnen, das zu essen, was die Menschen aßen, und Dosen- oder Trockenfutter nicht mehr als brauchbare Alternative ansehen. Sein Verdauungstrakt war für die Reste angelegt, die die Menschen ihm gaben, und als der Hund erwachsen war und sich an diese Kost gewöhnt hatte, mied er Hundefutter, so weit es ging. Es wurde normal für ihn, einfach eine kleine Portion dessen zu sich zu nehmen, was Thatcher aß.
Manchmal bei ihren Fahrten kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten mietete Thatcher ein kleines Motelzimmer für die Nacht. Nelson gewöhnte sich an den Geruch dieser kleinen Pensionen, die überall gleich waren, in welcher Stadt und in welchem Bundesstaat man sich auch befand. In all diesen Zimmern hing der Geruch von abgestandenem Zigarettenrauch und von Handtüchern und Bettzeug, das mit ein wenig zu viel Bleiche gewaschen worden war, in der Luft. Gerade in den älteren Hotels müffelten die Teppiche feucht, und nachts, wenn Thatcher schlief, gab es seltsame Geräusche, die Nelson zum Knurren und Bellen brachten, weil er das Gefühl hatte, Thatcher gegen irgendwelche Angreifer aus dem Motel beschützen zu müssen. Thatcher hatte einen gesunden Schlaf und schnarchte laut, weshalb er oft gar nicht aufwachte, wenn Nelson bei den Liebesgeräuschen aus dem Nachbarzimmer oder beim Gegröle von ein paar Zechern bellte. Am Morgen leckte Nelson Thatchers Gesicht ab, um ihn zu wecken, und dann tapste sein Herrchen schlaftrunken in Boxershorts mit dem Hund nach draußen, damit er pinkeln konnte. Das war Nelsons Belohnung dafür, dass er ihn so gut bewacht und geweckt hatte.
Manchmal ließ Thatcher Nelson im Motelzimmer zurück, um allein loszuziehen. Als er das zum ersten Mal machte, hatte Nelson ein wenig Angst, doch der kleine Hund war daran gewöhnt, dem Gefühl der Angst standzuhalten. Statt sich furchtsam zu verstecken, stand er stolz neben dem Bett, bewachte ihr vorübergehendes Zuhause und wartete darauf, dass Thatcher zurückkam. Einmal betrat die Putzfrau das Zimmer und lief rasch wieder hinaus, als Nelson sie laut anbellte und ihr den Zutritt verwehrte. Vorkommnisse wie dieses bestärkten den kleinen Hund in der Überzeugung, dass er trotz seiner geringen Größe stark und mächtig war.
Meist kam Thatcher allein zurück, und sein Atem stank nach Alkohol. Das machte Nelson nervös, denn es rief in ihm wieder die immer mehr verblassende Erinnerung an den Penner ins Gedächtnis, der ihm das Halsband gestohlen hatte. Doch im Allgemeinen schlief Thatcher gleich ein, wenn er getrunken hatte, und schnarchte noch ein bisschen lauter als sonst. Einmal brachte Thatcher eine groß gewachsene Frau mit, die er in einer Bar aufgegabelt hatte, und als er bereits schlief, schlich sie leise zu seiner Jeans und wühlte darin nach seiner Brieftasche. Doch Nelson schlief nicht und bellte laut. Als Thatcher aufwachte und die Frau mit schuldbewusster Miene über seine Hose gebeugt stehen sah, wusste er, dass Nelson ihn gerade vor dem Verlust der Hunderte von Dollars bewahrt hatte, die in seiner Geldbörse steckten. Die Frau machte einen raschen Abgang, und beim Frühstück belohnte Thatcher den Hund, indem er ihm den Speck schenkte, den er eigentlich für sich bestellt hatte.
Immer öfter schlief Thatcher im Führerhaus seines LKW, und Nelson fand es dort herrlich. Ihm gefiel, dass es sich im Vergleich mit den Motelzimmern, in denen sie manchmal übernachteten, um einen kleinen Raum handelte, weil er lieber einen begrenzten Raum zum Bewachen hatte. Das gab ihm ein sicheres und behütetes Gefühl. Zuerst schlief der Hund zu Thatchers Füßen, doch in einer kalten Nacht kuschelte er sich an seine breite Brust und schlief dort trotz Thatchers lauten Schnarchens wie ein Hundebaby. Manchmal wachte Thatcher mitten in der Nacht auf, sah Nelson tief schlafend an seiner Brust und schlief mit einem seligen
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