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Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Titel: Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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fassen konnte, aber das eindeutig etwas Unheimliches hatte. Und ich musste weder fragen noch einen Blick in die Gesichter der anderen werfen, um zu begreifen, dass ich nicht der Einzige war, der innerlich aufatmete, als Zerberus endlich stehen blieb und seine Lampe wild hin und her schwenkte, als wäre ihr Lichtstrahl ein Speer, mit dem er in trübem Wasser herumstocherte, um einen Fisch aufzuspießen.
    »Wir sind da«, sagte er und leuchtete auf unser Gepäck, das aufgereiht im Flur stand. »Die Zimmer sind alle gleich.
    Sucht euch eins aus, mir ist egal, wer wo schläft. Oder mit wem«, fügte er nach einer winzigen Pause (und in ganz leicht verändertem Ton, der weder mir noch den anderen entging) hinzu.
    Zumindest ich fand seinen letzten Satz in höchstem Maße überflüssig.
    Ed hob die Schultern, konterte mit einer noch viel überflüssigeren, anzüglichen Bemerkung und öffnete kurz entschlossen die Tür, die Carls Lichtstrahl vergeblich einzukreisen versuchte. Anscheinend wollte er erst gar keine Diskussion darüber aufkommen lassen, wer das erste Zimmer und damit den kürzesten Weg zurück zur Treppe und der richtigen Welt dahinter für sich beanspruchen durfte.
    »Kein Problem«, sagte er, »wir sind sowieso — au, verdammt!«
    Etwas schepperte, dann ertönte ein grunzender Schmerzlaut und eine gute Sekunde später tauchte Eds vor Wut verzerrtes Gesicht wieder im Zentrum des Scheinwerferstrahles auf. Erstaunlicherweise schien Carl plötzlich keinerlei Probleme mehr damit zu haben, den Handscheinwerfer still zu halten.
    »Verdammter Müll!«, beschwerte er sich. »Soll das ein schlechter Witz sein, oder was ? Das ist —«
    »— die Toilette«, unterbrach ihn Carl. »Wollt ich euch grad sagen.« Der Scheinwerferstrahl schwenkte kurz nach links und kehrte dann rasch und absolut zielsicher zu Eds Gesicht zurück. »Die Zimmer liegen daneben, alle auf dieser Seite des Gangs. Und noch was: Das Licht im Klo geht nicht. Ich bin noch nicht dazu gekommen, die Birne auszutauschen. Tut mir Leid.«
    »Und was machen wir heute Abend?«, nörgelte Ed. »Die Beine zusammenkneifen oder hoffen, dass wir die richtige Tür erwischen?«
    Ich konnte hören, wie Ellen scharf die Luft zwischen den Zähnen einsog. Offensichtlich war ich nicht der Einzige, dem Eds plötzliche Vorliebe für zotige Sprache nicht besonders gut gefiel. Carl kam ihr jedoch zuvor.
    »Ich lasse Ihnen die Lampe hier«, sagte er. »Mit der richtigen Einstellung hält die Batterie die ganze Nacht.«
    Der Lichtstrahl flackerte, erlosch für einen Sekundenbruchteil ganz und war zu einem milden dunkelgelben Glimmen geworden, als er zurückkam. »Sehen Sie?«
    »Ich sehe eher, dass ich nichts sehe.« Ed war offensichtlich auf Streit aus. Unter anderen Umständen hätte ich die Situation zweifellos genossen und mich zurückgelehnt, um entspannt zuzusehen, wer von ihnen zuerst aufgab.
    Aber spätestens seit wir dieses unheimliche Spukschloss betreten hatten, war nichts mehr normal; und die Umstände schon gar nicht.
    »Das geht schon in Ordnung«, sagte ich rasch. »Es ist ja nur für diese eine Nacht.« Ich machte eine fragende Geste nach links. »Ich nehme an, du willst gleich das erste Zimmer, Eduard? Für den Fall, dass dir deine schwache Blase wieder zu schaffen macht.«
    Ed gab sich alle Mühe, mich mit Blicken aufzuspießen, verkniff sich aber gottlob jegliche Antwort, und ich hätte ihm auch gar keine Gelegenheit zu einem Versuch gegeben, vielleicht doch noch einen Streit vom Zaun zu brechen, denn ich drehte mich rasch um, ging an ihm und den anderen vorbei und zählte die gleichförmigen Türen ab, die es auf der rechten Seite des Gangs gab. Ihrem Abstand nach zu schließen konnten die Zimmer dahinter kaum größer sein als ein begehbarer Schrank. Ed sagte schließlich doch noch irgendetwas, aber ich zog es vor, es nicht zu verstehen, sondern drückte, bei Tür Nummer sechs angekommen, die Klinke herunter und wappnete mich innerlich gegen eine weitere unangenehme Überraschung, während ich mit der anderen Hand die Wand dahinter nach dem Lichtschalter abtastete. Ich fand ihn erst nach einigen Sekunden, denn er war deutlich tiefer angebracht, als ich es gewohnt war, und ich brauchte noch einmal zwei oder drei Sekunden, bis es mir gelang, ihn zu betätigen, denn auch dieser Schalter war kein Schalter, sondern ein Erster-Weltkriegs-Modell; ein schwergängiges Bakelit-Monster, das man mit spürbarem Kraftaufwand nach rechts oder links drehen musste, bis es

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