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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
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ganzen Leben noch keiner Fliege etwas zuleide getan!«, verteidigte sich Carl empört.
    »Ellen hat Recht.« Judith stand auf und schüttelte den Kopf. »Immerhin haben Sie uns auf diese verfluchte Burg gebracht.«
    »Es war vor allem eure Gier, die euch hier heraufgebracht hat«, widersprach der Wirt trocken.
    Ellen öffnete den Mund zum Widerspruch, schloss ihn aber schließlich, ohne etwas gesagt zu haben, und begann wortlos, die Pläne zusammenzufalten und in die Mappe zurückzuschieben.
    Wahrscheinlich wusste sie, was wir alle insgeheim zugeben mussten und niemand sich auszusprechen traute.
    Carl hatte Recht. Letztlich war jeder von uns allein deshalb hier, weil er gehofft hatte, einen Menschen zu beerben, den er zu dessen Lebzeiten nicht einmal gekannt, von dessen Existenz er keine Ahnung gehabt hatte.
    Allein unsere Gier hatte uns hierher getrieben und sogar noch viel weiter. Ich betrachtete die pummelige, eigentlich eher unattraktive Judith unauffällig aus den Augenwinkeln. In der Aussicht auf ein paar Millionen waren wir miteinander in die Kiste gesprungen und hatten uns redlich bemüht, schnellstmöglich den Stammhalter zu zeugen, den Sängers Testament im Gegenzug für den Reichtum verlangte. Jeder von uns hatte sich unter dem Vorwand wahrer Zuneigung oder zumindest eines sexuellen Bedürfnisses prostituiert.
    Und zumindest mir hatte das sogar Spaß gemacht.
    Die Vorstellung, ein weiteres Mal in den muffigen Keller hinabzusteigen, behagte mir ganz und gar nicht. Dennoch äußerte ich keinen Protest, als Carl die massive Tür unterhalb der großen Treppe öffnete und den Lichtschalter betätigte, woraufhin die vor uns in die Tiefe führenden, schmalen Steinstufen in das gleichmäßige gelbe Licht eines guten halben Dutzends Lampen getaucht wurden. Schließlich gab es nichts, was ich gegen den Plan, uns in Professor Sängers Labyrinth vorzutasten, objektiv hätte einwenden können. Es war die einzige Chance, noch in dieser Nacht von hier zu entkommen, und ich wünschte mir nichts auf der Welt sehnlicher als das.
    Im Idealfall hätte ich in dieser Situation gerne jemanden an die Hand genommen, den ich beschützen zu wollen vorgeben konnte – vorzugsweise Judith. Doch während ich mich die ausgetretenen Stufen hinter Carl und den drei Frauen hinabtastete, verspürte ich selbst kein geringeres Bedürfnis nach Schutz und Geborgenheit als ein dreijähriges Mädchen. Und Judith war, als wir das Ende des Flurs erreicht hatten, mit schnellen Schritten an mir vorbei zwischen Maria und Ellen getreten – um meine körperliche Nähe zu meiden, wie es mir vorkam.
    Nun, da sie ihre Abneigung in der Küche für einen kurzen Augenblick scheinbar überwunden, jetzt aber aufs Neue deutlich gemacht hatte, kränkte sie mich damit wieder, wie in den ersten Sekunden, als ich sie verspürt hatte. Eine gesunde Skepsis und eine gerechte Portion Misstrauen könnte ich ihr verzeihen, denn nach wie vor konnte jeder von uns rein objektiv betrachtet Stefans Mörder sein. Aber Judith behandelte mich mittlerweile beinahe wie einen Vergewaltiger oder eine sonst wie verachtenswerte Kreatur, mit der man besser überhaupt nicht redete und deren Nähe man mied, wo es nur möglich war. Ich hielt die Luft an und bemühte mich, durch den Mund zu atmen, als wir uns dem unteren Absatz der Treppe näherten und mir der Übelkeit erregende Gestank von Schimmel, Moder und Verwesung vermischt mit dem Kopfschmerzen fördernden Geruch von Farbe und Beton in die Nase stieg. Und nun, da es mir bewusst war, begann es hinter meinen Schläfen sogleich wieder ein wenig heftiger zu pochen. Der Wirt eilte vorweg, um auch das Licht in dem frisch renovierten Teil des Kellers für uns einzuschalten, und bedeutete uns ein wenig zu hektisch für meinen Geschmack, ihm durch die links an den breiten Korridor angrenzende Tür in den Gerümpelkeller zu folgen. Die fieberhafte Erregung, die Besitz von ihm ergriffen hatte, als Ellen ihn mit den Bauplänen konfrontierte, war zurückgekehrt und schien sich nun von Sekunde zu Sekunde noch zu steigern. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es lediglich die Aussicht auf einen Ausweg aus diesen verwunschenen Mauern war, die den Tatendrang in ihm so sehr aufkochen ließ. Vielmehr war es sicher sein Glaube daran, dabei nun endlich auf das verschwundene Nazigold zu stoßen, nach dem er schon seit unbestimmter Zeit suchte.
    Während wir ihm im Schein der Lampe, die Judith trug, an den gemauerten Säulen und Unmengen von Gerumpel

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