Nemesis 03 - Alptraumzeit
sensationellerweise ein, dass es keinen Sinn hatte, wieder auf Marias Anfeindungen einzugehen und die Stimmung damit unnötig aufzuheizen. Er wandte sich stattdessen wieder angriffslustig an Carl. »Das ist der größte Müll, den du uns seit langem vor die Füße gekotzt hast«, behauptete er. »Schließlich hat meine liebe Familie das ganze Gelände hier mittlerweile auf den Kopf gestellt.«
»Eben nicht.« Ellen schüttelte den Kopf und deutete wieder auf die Baupläne. »Es ist wirklich nicht einfach, sich damit zurechtzufinden. Aber was ich mit absoluter Sicherheit sagen kann, ist, dass wir offenbar nicht einmal einen Bruchteil der Katakomben unter diesem Geisterschloss erforscht haben.«
Carl nickte bestätigend und begann erneut in den Plänen zu blättern. Schließlich zuckte er die Schultern.
»Aber ich glaube nicht, dass es dort unten einen zweiten Ausgang gibt«, seufzte er schließlich und blickte geistesabwesend an Ed vorbei aus dem Fenster.
»Vielmehr glaube ich, dass der alte Turm der Schlüssel zu allem ist. Immerhin ist er seit der Nazizeit nicht mehr zugänglich.«
Maria sah von ihren Schuhspitzen auf, bedachte den Wirt mit einem seltsamen Blick, den ich nicht deuten konnte, und erweckte für einen kurzen Moment den Eindruck, als wisse sie es besser und als wolle sie Protest gegen seine Behauptung einlegen. Dann aber senkte sie wieder den Kopf und starrte weiter betreten zu Boden.
»Ich weiß nicht, ob wir uns richtig verstanden haben.«
Judith griff nach den Bauplänen und breitete sie nebeneinander auf dem PVC-Boden aus. »Aber Ihr verfluchtes Nazigold interessiert hier niemanden. Wir suchen einen Ausgang. Und Sie werden uns dabei helfen, Carl. Weil wir nämlich sonst dafür sorgen werden, dass Sie sich von diesem verfluchten Schatz bestenfalls noch Ihren Sarg vergolden lassen können, kapiert?«
»Nichts anderes habe ich gemeint«, gab Carl schnaubend zurück, bückte sich über den mit Plan 3 gekennzeichneten Bogen und tippte mit dem Zeigefinger auf eine kreisförmige Darstellung im mittleren Bereich.
»Hier unter dem Turm befindet sich ein großer, runder Kellerraum.« Sein Zeigefinger wanderte auf einen als Durchgang gekennzeichneten Punkt an der linken Seite des Kreises. »Von dort aus führt ein Stichgang in westliche Richtung, wie Sie sehen. Ich vermute, dass dieser Gang von der Burg fortführt. Wahrscheinlich gibt es einen geheimen Ausgang, der irgendwo nahe des Burgberges liegt. Aber sicher bin ich mir nicht. Das Ende des Gangs ist nicht zu erkennen.« Er deutete seufzend auf die linke Blattkante des Planes. »Und ein Anschlussstück gibt es nicht«, stellte er nach einem letzten, vergewissernden Blick auf die anderen Pläne fest.
Ich ließ mich neben Judith in die Hocke sinken – mehr in der Hoffnung, vielleicht noch eine weitere, unbefangene Berührung von ihr zu erhaschen, als im Glauben, tatsächlich auch nur den Ansatz eines Überblicks über diesen Wirrwarr von in Kästchen und Strichen dargestellten Räumen, Nischen und Gängen auf dem ein halbes Jahrhundert alten Papier zu gewinnen. Aber Judith rückte beiseite, ein Interesse am äußersten Bogen zu ihrer Linken vorgebend, und ich verkniff mir nur mühsam ein Seufzen. Was auch immer ihr enormes Misstrauen mir gegenüber wachgerufen hatte, war noch lange nicht verschwunden. Ich beschloss, bei der nächsten Gelegenheit unter vier Augen mit ihr zu reden, und hoffte, dass sie nicht ihr Bestes geben würde, genau diese Gelegenheit nach Kräften zu vermeiden.
»Verdammt!« Carl deutete mit der Linken auf einen weiteren in den Plänen verzeichneten Durchgang und schlug sich mit der Rechten fassungslos vor die Stirn.
»Diese vermauerte Tür!«, fluchte er. »Hier muss es ganz leicht sein, zu dem Teil der unterirdischen Anlagen vorzudringen, der auch mit dem Turm verbunden ist.« Er schüttelte den Kopf und murmelte etwas in der Art, schon tausendmal daran vorbeigelaufen zu sein und sich nur deshalb dort nicht zu arbeiten getraut zu haben, weil ihm die Decke des Kellers an dieser Stelle so baufällig vorgekommen sei. »Dort müsst ihr durch. Ich … würde euch gerne dabei helfen, die Wand durchzubrechen.«
»Ich bin vielleicht mittlerweile ein bisschen verzweifelt
– aber total wahnsinnig bin ich noch lange nicht«, lehnte Ellen kategorisch ab. »Ich drücke doch niemandem eine Spitzhacke in die Hand, dem ich keinen Schritt weit traue, während ich selbst mit einem Gemüsemesser neben ihm herlaufe.«
»Ich habe in meinem
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