Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
einzelne Wunderkerze brannte, in der anderen eine Sonnenblume.
»Was ist denn bitte ein Geburtstag ohne Kuchen?«, fragte ich, als sie sich umdrehte und mir ein ungläubiges Lächeln zuwarf.
»
Kein
Geburtstag!«, antwortete sie, nahm die Sonnenblume an sich und versenkte ihre Nase darin. Nachdem sie sich bedankt hatte, legte sie die Blume neben einen riesigen Strauß roter Rosen, der – mit einer Karte von Daniel gespickt – unter ihrem Spiegel stand. Bei dem Anblick meiner einzelnen gewöhnlichen Blume unter diesem kunstvoll gesteckten Meisterwerk überkam mich wieder dieses eigenartige Gefühl, das ich sofort verbannte, bevor es sich zu sehr ausbreiten konnte.
In stummer Zufriedenheit beobachtete ich, wie Sarah von dem Kuchen kostete und die Augen genießerisch verdrehte. »Hm, Apfel-Zimt. Woher wusstest du …?«
»Ich wusste es nicht, aber es ist typisch englisch, nicht wahr?«
Sie lächelte nur und steckte sich einen weiteren Bissen in den Mund. »Komm zum Abendessen zu mir nach Hause«, bat sie unter niedergeschlagenen Wimpern. Tausend Gedanken wirbelten durch meinen Kopf. Zweifel, aufblinkende Warnsignale, Ausreden. Ich schüttelte sie ab, bevor sie zu laut gegen meine Schläfen hämmern konnten. »Sehr gerne, vielen Dank!«
Kaum hatte Sarah den Schlüssel in ihrer Haustür gedreht, da donnerte ihr schon ein »Happy Birthday, Mommy!« entgegen. Josie stürzte in die Arme ihrer Mom und ließ sich von ihr durch die Luft wirbeln. Als mich die Kleine entdeckte, wurde ihr Blick skeptisch.
»Bist du Mommys Freund, der komische Engel?«
Ich hockte mich vor ihr hin. »Hallo Josie! Ja, genau der bin ich. Aber eigentlich heiße ich Ben.«
»Magst du Pferde?«, fragte Josie. Ich nickte, und die Kleine wirkte zufrieden.
»Mamma mia, Sarah! Bringste du Besuke mit und sagste du nicht eine Worte zu mir.«
Eine kleine untersetzte Frau mit silbergrauen Locken und großen haselnussbraunen Augen erschien in der Küchentür und rang theatralisch ihre Hände.
»’Abe ich jetzte nicht genug Esse fur euch alle.«
»Das würde mich sehr wundern, Berta«, erwiderte Sarah gelassen, drückte die stämmige Frau fest an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Und jetzt sei nicht böse auf mich. Heute ist mein Geburtstag, da musst du lieb zu mir sein. Außerdem habe ich Ben spontan mitgebracht.« Sarah ergriff meine Hand und zog mich heran. »Ben, das ist Alberta, unser Sternchen im Haus.«
Ich streckte meine Hand aus, doch Alberta hatte andere Pläne. Sie riss mich an sich und drückte mir links und rechts feuchte Küsse auf die Wangen. Hinter dem schmatzenden Geräusch hörte ich Sarahs leises Kichern … bis Albertas Stimme in meinen Ohren dröhnte.
»Was, Sternche. ’Ören Sie das, Signore Todde? Sternche! Bin isch alte, fette Stern in schmutzige Kittel und Schurze und ohne genug Esse fur euch. Weil du ’aste mir nicht gesagte, dasse wir bekomme Besuke, Sarah. Unmoglich!«
Der Geruch, der mir in die Nase stieg, erzählte etwas anderes. Schon im Eingangsbereich des riesigen Hauses roch es wie auf einem süditalienischen Campingplatz zur Mittagszeit. Und Sarahs Zweifel sollten sich als berechtigt erweisen. Alberta hatte mehr als genug vorbereitet. Genug Melone, Schinken, Bruschetta, Pasta, Brot, gebratenen Fisch, frittiertes Gemüse und Torte für uns alle. Und wahrscheinlich für dreizehn weitere Personen.
Wir setzten uns gemeinsam um den festlich gedeckten Tisch. Sarah wies mir den Platz direkt neben Josie zu; sie selbst saß ihrer Tochter gegenüber und strahlte mich an. Ich erwiderte ihr Lächeln nur zögerlich, fragte ich mich doch im selben Augenblick, ob Daniel normalerweise auf diesem Stuhl saß, wenn er zu Hause war.
Schnell schüttelte ich meinen Kopf, um ihn von dem unliebsamen Gedanken zu befreien.
»Du hast ja sogar schon ein Messer, Josie«, stellte ich mit einem Blick auf den kleinen Lockenkopf neben mir anerkennend fest.
»Klar! Ich kann ja auch schon köpfen!«, rief das Mädchen stolz aus.
Mein Gesichtsausdruck entglitt mir schlagartig; meine Kinnlade klappte herab.
Für zwei Sekunden war es absolut still am Tisch, dann prusteten Sarah und Alberta gleichzeitig los. Ich konnte mich für einen kurzen Moment nicht entscheiden, was mich nun mehr erschreckt hatte – Josies Aussage oder Albertas Stimmgewalt. Die italienische Nanny hielt sich den wackelnden Bauch, so sehr lachte sie.
Sarah fand ihre Sprache zuerst wieder und klärte mich gnädigerweise auf. »Ihr Frühstücksei, Ben. Sie
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