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Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Titel: Neobooks - Das Leben in meinem Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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geradlinigen Anrichte, neben Sarahs Geschenken, standen zahlreiche Fotos der Familie. Ein Bild stach mir besonders ins Auge. Es war das Hochzeitsfoto eines jungen Paares. Die Frau blickte ein wenig schüchtern, doch der Mann strahlte und wirkte so stolz, dass ich beim Betrachten lächeln musste. Die markanten Gesichtszüge von Sarahs Vater Jonathan Pace waren unverkennbar – so jung er bei der Entstehung dieses Bildes auch gewesen sein mochte.
    Eigenartig, ein so persönliches Bild von ihm zu sehen
, dachte ich und stellte es wieder zu den anderen. Jonathan Pace gehört definitiv in die Riege meiner Lieblingsschauspieler. Ihn so privat wie auf dieser Aufnahme zu sehen, war ein seltsames Gefühl. Und es erinnerte mich wieder daran, in wessen Haus ich mich befand.
    Das Klackern von Sarahs Absätzen erklang nur einen Augenblick vor ihrem Lachen. Vermutlich hatte sie ihre Schuhe wieder einmal ausgezogen und erst in letzter Sekunde übergestreift. Als ich mich umdrehte, stand sie bereits im Türrahmen.
    »Wie dumm von mir«, sagte sie amüsiert. »Natürlich
stehst
du hier unten. Ich habe ja schließlich nicht ausdrücklich gesagt: ›Geh doch schon mal runter und
setz – dich – hin!
‹«
    »Ich habe mir nur die Bilder angesehen«, rechtfertigte ich mich. »Das bist doch du, oder?« Ich deutete auf die Schwarz-Weiß-Aufnahme eines kleinen Mädchens mit wild gelocktem Haar.
    Sarah nickte. »Ja, da war ich etwa in Josies Alter.«
    »Die Ähnlichkeit ist verblüffend«, erwiderte ich. »Sie sieht genauso aus wie du. … bildhübsch.« Wieder ein Kompliment, das so nicht geplant war. Es kam zwar nur als Flüstern über meine Lippen, aber das reichte aus, mir das Blut in die Wangen zu treiben. Auch Sarah wirkte verlegen. Sie hielt meinem Blick eine Weile stand, bis sie sich plötzlich losriss, mit einer kurzen Entschuldigung in der Küche verschwand und kurz darauf mit zwei gefüllten Sektgläsern zurückkehrte. Nachdem wir uns zugeprostet und an unseren Gläsern genippt hatten, deutete ich auf den Flügel. »Spielst du?«
    Sarah lachte. »Ziemlich schrecklich, ja. Und nur den Flohwalzer. Ich würde es gern können, bin aber nie dazu gekommen, Stunden zu nehmen. Daniel fand das Piano schick, nur deshalb steht es hier. Josie klimpert ab und zu darauf herum und treibt Alberta damit an den Rand des Wahnsinns. Vielleicht bekommt sie später Unterricht, dann würde der Kasten endlich wieder zu seiner Bestimmung finden.«
    Noch während sie sprach, stellte ich mein Sektglas auf dem Deckel des schönen Instruments ab und begann, meine Hände zu kneten. Schweigend nahm ich auf dem kleinen Drehhocker Platz und legte meine Finger auf die Tasten. Mit meinen Gedanken bei der schlafenden Josie spielte ich leise
›Kiss the rain‹
von Yiruma an.
    Sarah neigte verwundert den Kopf, stellte sich neben mich und sah auf meine Finger herab. »Du spielst Klavier, Ben?«, fragte sie endlich.
    »Seit meinem fünften Lebensjahr. Meine Mutter hat es mir beigebracht.«
    »Stimmt! Du hast erzählt, dass sie Pianistin ist.«
    Sarah lehnte sich gegen den Flügel und wurde sehr still. Als ich zu ihr aufblickte, glitzerten Tränen in ihren Augen.
    »Was ist?«, fragte ich erschrocken und brach mein Spiel sofort ab.
    Doch sie schüttelte nur den Kopf. »Gar nichts … es ist nur … würdest du weiterspielen? … Bitte?«
    Nur zögerlich fanden meine Finger ihren Weg zurück auf die Tasten.
    »Du … du spielst wunderschön«, sagte Sarah. »Ich verstehe wirklich nicht viel von Musik, aber das … berührt mich sehr.« Sie presste beide Hände auf ihre Brust.
    »Nein!«, sagte ich entschlossen und leitete die ruhige Melodie in ein unbeschwertes, lockeres Lied über. »Heute ist dein Geburtstag, da werden keine Tränen vergossen.«
    »Nicht mal vor Rührung?«, fragte sie.
    Ich schüttelte energisch den Kopf. »Nicht mal das.«
    In diesem Moment erkannte Sarah das Lied. »Ah, der Klassiker. Da sehe ich sofort Doris Day vor mir.«
    »Ja, genauso geht es mir auch.«
    Sarah begann, mein Spiel mit einem kaum vernehmbaren Summen zu begleiten. Dieses wuchs langsam, bis sie mit ihrer klaren, hellen Stimme die zweite Strophe sang. Als wir den Refrain erreichten, stimmte ich mit ihr ein: 
    Que sera, sera
    Whatever will be, will be
    The future's not ours, to see
    Que sera, sera
    What will be, will be
    Den Schlussakkord hielt ich extra lang, wir trällerten den letzten Ton und ließen ihn in ein gemeinsames Lachen übergehen. Die kurzfristige Wehmut von zuvor war

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