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Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Titel: Neobooks - Das Leben in meinem Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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nicht mehr zu spüren.  
    Später machten wir es uns auf der Couchlandschaft bequem. Einige Schüsseln mit Knabbereien standen zwischen uns, und unsere Hände berührten sich beim Zugreifen immer wieder. Sarah streifte die hochhackigen Schuhe von ihren Füßen und erklärte dabei, der gemütliche Teil des Abends wäre nun angebrochen. Was mich wunderte, denn für mich hatte dieser Teil längst schon begonnen.
    Ich verfolgte ihre Bewegung, als sie die Beine anwinkelte und zu sich auf die Sitzfläche hochzog. Mein Blick verweilte dabei auf ihren nackten Oberschenkeln. Als ich es merkte und schnell zurück in ihr Gesicht sah, waren ihre Wangen gerötet. Sie blickte mich lange an, bis meine Wangen ebenso rot waren wie ihre.
    Dann lächelte sie.
    Selten zuvor in meinem Leben hatte ich eine Frau so sehr küssen wollen wie Sarah in diesem Moment. Ich verliebte mich, das wurde mir in diesem Moment schmerzlich bewusst. Ich verliebte mich zum ersten Mal seit Shirleys Tod. Und in wen? In eine verlobte Frau … eine Kollegin noch dazu.
    Ich war tatsächlich ein hoffnungsloser Fall!
    Schnell wandte ich meinen Blick ab. Wartete, bis Sarah hüstelte und das Gespräch wieder aufnahm. Wir unterhielten uns lange, über Gott und die Welt. Über unsere Familien, vergangene Rollen und die Engagements, die wir bereuten, über unsere gemeinsame Arbeit.
    Sarah kam immer wieder auf ein Thema zu sprechen, das sie offenbar stark beschäftigte. Sie wusste, dass ich in einem meiner Theaterstücke einen Maler gespielt hatte, der sich nur nackt seiner Leinwand näherte.
    Nun, da sie mich – mitsamt meiner Schüchternheit – schon recht gut kannte, fiel es ihr offenbar ziemlich schwer, sich das vorzustellen.
    »Im Leben hätte ich mich das nicht getraut«, gestand sie. »Ich bin ja auch kein unbeschriebenes Blatt, aber vor der Kamera ist das auch irgendwie anders. Leichter.«
    Ich spürte erneut die aufsteigende Hitze und nahm schnell einen Schluck Sekt, um meine Verlegenheit zu übertünchen. Wie oft hatte ich sie angesehen, diese Szene, von der Sarah gerade sprach. Sie war Teil eines älteren Films; Sarah war damals gerade siebzehn Jahre alt und die Liebesszene in ihrer Heimat ein kleiner Skandal gewesen – der wohl einzige ihres Lebens. Vom ewigen Hin- und Herspulen war das Band meiner Videokassette schließlich gerissen.
    Sarah bemerkte mein Dilemma nicht. Oder sie sah – wieder einmal – gnädig darüber hinweg. Allerdings reichte ihre Gnade nicht so weit, es dabei bewenden zu lassen.
    »Ich meine, live und vor einem ausverkauften Theatersaal voll fremder Menschen? Nein danke! Wie hast du das bloß geschafft?«, bohrte sie weiter nach.
    Ich überlegte eine Weile, bis ich schließlich den Kopf schüttelte. Diese Rolle ist der schlimmsten Zeit meines Lebens zuzuordnen. Einer Zeit, die für mich in tiefem Nebel liegt und meine Erinnerungen derart verschleiert hat, dass ich Sarah nur eine ausweichende Antwort geben konnte.
    »Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht mehr genau. Ich weiß nur noch, dass ich die Proben peinlicher fand als die Aufführungen. Vor der Premiere wurde mir noch mal eingetrichtert, dass es absolut natürlich wirken solle. Dass ich mich überhaupt auszog, diente ja schließlich einem besonderen Zweck. Der Maler brauchte die Nacktheit für seine Inspiration. Nur nackt fühlte er sich frei. Außerdem sollte es dem Mädchen, das für ihn Akt stand, helfen, seine Hemmungen fallen zu lassen.«
    »So, das Mädchen war also auch nackt, das wird ja immer spannender.«
    Sarahs Hände vergruben sich tief in der Chips-Schüssel.
    Ich grinste. »Diese Szene sollte jedenfalls relativ emotionslos gespielt werden. Sie sollte nichts Sexuelles an sich haben, denn dieser Maler, den ich spielte, wollte ja eigentlich nur weiterarbeiten. Er war besessen von seiner Malerei, die Kunst war seine einzige Passion.«
    Und dann, plötzlich, lüftete sich der Nebel ein wenig und gab ein winziges Stück meiner Erinnerung preis. »Ich dachte an die Sommer in China, als ich noch klein war. Wir wohnten selten in den Städten, in denen mein Vater arbeitete. Meistens lebten wir in der Nähe, aber auf dem Land. Damals an einem großen See. Meine Schwester und ich schlichen uns in der Abenddämmerung oft davon und zogen uns aus, um heimlich noch einmal baden zu gehen. So versuchte ich es zu spielen. Unschuldig und zweckgebunden. Ohne Hintergedanken. So, wie du dich auch abends im Bad ausziehst, wenn du allein mit dir bist.« Nun glühten meine Ohren wirklich,

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