Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
Kopf und ging wieder zu dem Gelehrten.
Einige Zeit später saß die junge Dame zusammengesunken auf ihrem Pferd. Mühsam kämpften sich die Tiere durch hohen Schnee. Der Himmel war grau, der Schneefall heftiger geworden, und es war klirrend kalt. Seit geraumer Zeit verfolgte sie auch das ständige Heulen von Wölfen. Rhonan vermutete, dass es die heimischen Riesenwölfe waren und nicht die Wölfe der Jäger. Allerdings war eine Menge Wunschdenken dabei. Die Tiere, die meist allein umherstreiften, würden ihm keine größeren Schwierigkeiten bereiten, die Wolfsjäger schon.
Immer tiefer drangen sie in den Wald vor.
Gideon hatte bereits häufiger seine Bedenken angemeldet, ob sie richtig ritten. Nur hin und wieder erhaschte er einen Blick auf die Berge, aber die erschienen ihm dann mal näher, mal wieder ferner.
Rhonan besänftigte ihn immer wieder, indem er erklärte, die Wälder während seiner Zeit bei den Tempelwächtern erforscht zu haben. Zielstrebig führte er sie voran. Obwohl es für Mensch und Tier so viel beschwerlicher war, mied er geeignetere Wege und lenkte die Pferde stattdessen durch dichten Baumbestand. Die Gefahr, entdeckt zu werden, wurde dadurch seiner Meinung nach erheblich gesenkt. Der Schneefall kam ihnen ebenfalls zugute: Die Sichtweite betrug höchstens vier Pferdelängen, und ein Feind konnte eigentlich nur durch Zufall über sie stolpern. Seit seiner Begegnung mit dem Riesenwolf versuchte er allerdings auch, die blödsinnigsten Zufälle in seine Überlegungen mit einzubeziehen, und wechselte in stetigem Zickzackkurs die Richtung. Zur Freude seiner Begleiter hatte er dabei bereits zwei Schneehasen erlegt. Am Abend würde es frisches Fleisch geben.
»Ich kann nicht mehr weiter!«, jammerte Caitlin zum hundertsten Mal weinerlich. »Meine Hände sind eiskalt, und ich verliere die Zügel dauernd, und ich kann mich nicht mehr auf dem Pferd halten, weil ich so entsetzlich friere.«
Gideon musterte sie verständnisvoll, aber hilflos. Ihre Lippen waren blutleer, ihre Haut war schneeweiß. Er hätte gern etwas Tröstliches gesagt, ihm fiel nur nichts ein.
Ihr Führer dagegen lachte auf. »Willkommen in der Wildnis! Nun zeig mal, was du kannst! Wir können nämlich keine Rast machen, wir müssen den Hügelkamm unbedingt erreichen, bevor es dunkel wird. Sonst finde ich die Höhle nie«, erklärte er, ohne sich umzusehen.
»Ich sag das nicht nur so«, schluchzte sie. »Ich fall gleich vom Pferd!«
»Unsinn! Wir sind noch nicht mal einen halben Tag unterwegs! Du kannst unmöglich schon schlappmachen.«
»Kann ich doch!« Ihre Stimme klang hauchdünn.
»Kann sie wirklich«, stimmte Gideon zu. »Sie hängt schon halb.«
»Himmel!«, knurrte Rhonan, stieg vom Pferd, stapfte auf sie zu und zog sie wortlos aus dem Sattel.
»Was tust du?«, kreischte sie und ruderte mit den Armen.
»Mein Pferd ist kräftiger.«
»Und davon wird mir wärmer?«, fragte sie verwirrt.
»Bestimmt!« Er zog der verblüfften Dame den Mantel aus und hob sie auf sein Pferd. Während sie protestierende Laute ausstieß, schwang er sich hinter ihr in den Sattel und hielt die zappelnde Frau fest. »Halt still, verdammt noch mal! Willst du, dass wir beide runterfallen?« Er öffnete seinen Mantel, zog die plötzlich ausgesprochen steife Prinzessin eng an sich und schloss ihn wieder. »Lehn dich an! Du brauchst Körperwärme. Stell dich nicht an und entspann dich! Ich tu dir schon nichts! ... Gideon, nimm das Pferd!«
Mit klammen Fingern in Fausthandschuhen gelang es dem gerade eben, den Zügel aufzufangen.
Caitlin ließ sich unterdessen verkrampft und mit zusammengepressten Lippen gegen ihren Begleiter sinken und empfand ein sehr eigenartiges Gefühl. Noch nie war sie einem Mann so nahe gewesen. Ungewohnt hart war der Körper. Sie konnte seinen Herzschlag spüren und jedes Anspannen der Muskeln. Aber vor allem spürte sie die Wärme, die er ausstrahlte. Schnell hatte sie ihre Scheu überwunden und kuschelte sich an ihn. Er breitete ihren Mantel über ihr aus und bedeckte ihr Gesicht weitgehend mit der Kapuze.
Sie waren nicht lang unterwegs, als Caitlin sich erneut bemerkbar machte. »Rhonan?! Meine Hände sind eiskalt«, flüsterte sie. »Sonst geht es jetzt, aber meine Hände erfrieren gleich. Sie wollen einfach nicht warm werden, und ich spüre sie kaum noch.«
»Oje!«, seufzte ihr Begleiter. Er hielt sein Pferd erneut an, schob die Prinzessin so hin, dass sie leicht schräg in seiner Schulterbeuge lag, und zog
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