Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
ihr die Handschuhe aus. Er rieb ihre klammen Finger, bis sie nicht mehr ganz so eisig waren, und forderte sie auf: »Jetzt steck die Hände unter mein Hemd!«
Sie keuchte entsetzt auf. »Was soll ich?«
»Komm jetzt, Tochter der Wildnis! Tu, was ich dir sage, oder friere weiter!«
»Du bist ein Mann. Das kann und darf ich nicht!«
»Dann eben nicht! Hier sind deine Handschuhe.« Er wartete gerade noch, bis die Hände, die die Fäustlinge hielten, in den Fellen verschwanden, schnalzte mit der Zunge, und das Pferd setzte sich wieder in Bewegung.
Gideon hörte Rhonan überrascht die Luft einziehen. Die Prinzessin hatte ihre Scheu anscheinend doch überwunden. Es verging eine Weile.
»Oh Rhonan, das wirkt wirklich, aber es ist überhaupt nicht schicklich! Du trägst ja gar nichts unter deinem Hemd, und ich bin eine Priesterin.«
»Mach dir darum keine Gedanken. Wir erzählen es nicht weiter.«
»Wirklich nicht? Es erfährt niemand?«
»Nein.«
»Dann ist es gut. Danke!« Sie gähnte, und kurz darauf war sie eingeschlafen.
Gideon ertappte sich dabei, wie er Caitlin beneidete. Auch er fror erbärmlich, obwohl er zwei wollene Leibhemden trug, und fand es äußerst unerquicklich, durch den immer nasser werdenden Schnee zu reiten. Sein Gesicht war halb erfroren, die Gesichtshaut so gespannt, dass er annahm, unfreiwillig zu grinsen, seine Hände spürte er kaum noch, und in Hintern und Beinen piekte es, als hätte er sich in einen Dornenbusch gesetzt. Seinen Begleiter konnte er nur bewundern. Der schien über grenzenlose Ausdauer zu verfügen, und weder Wunden noch Witterung schienen ihn zu beeinträchtigen. In einem Arm hielt er die Prinzessin, mit der anderen Hand lenkte er zielstrebig und sicher sein Pferd: weiter und weiter durch Bäume und Schnee. Endlich ging es langsam bergan.
»Sind wir in den Hügeln?«, fragte Gideon, und seine Zähne klapperten beim Sprechen.
»Nicht mehr lange, und wir müssten die Höhle erreichen. Wenn ich sie finde, heißt das.«
»Du machst jetzt einen Scherz, oder?« Der Verianer fand das überhaupt nicht lustig.
Rhonan lachte leise. »Ich war seit sieben, acht Jahren nicht mehr hier. Vielleicht ist sie längst eingestürzt, oder meine Erinnerung spielt mir einen Streich. Ist ja nicht sehr abwechslungsreich hier.«
»Du treibst Späße mit mir. Das ist nicht nett! Ich bin ein einziger Eiszapfen, ich bin erschöpft und hungrig, und mir tut aber auch alles weh, und du machst dich über mich lustig. Ich bin auch kein Mensch der Wildnis.« Er warf einen sehnsüchtigen Blick auf die beiden. »Und seit geraumer Zeit überlege ich mir, dass ich gern tauschen würde.«
»Du willst die Prinzessin nehmen?«
»Nein, ich will mit der Prinzessin tauschen!«
Grüne Augen blitzten ihn belustigt an. »Gideon, Gideon! Was sind denn das für Gedanken? Muss ich mir Sorgen machen, wenn ich mich vor dir ausziehe?« Er lachte dunkel über das Schnauben seines Begleiters.
»Wieso frierst du eigentlich nicht so? Gibt es da ein Geheimnis?«, fragte der bibbernd.
»Ich habe lange hier gelebt, da gewöhnt man sich an die Kälte. Außerdem denkst du zu viel darüber nach, dass dir kalt ist. Du frierst dann ...« Er zügelte sein Pferd und legte die Finger an die Lippen.
Gideon verharrte lauschend. Sehr bald hörte auch er entfernte Stimmen. Entsetzt starrte er Rhonan an. Der schüttelte den Kopf und machte eine beruhigende Handbewegung. Die Feinde waren zu weit weg. Sie waren nicht entdeckt worden. Längere Zeit schwiegen sie beide. Dann waren die Stimmen nicht mehr zu hören. Der Gelehrte atmete erleichtert durch, und sie ritten weiter. Das Heulen der Wölfe nahm er bald kaum noch wahr. Dass es aufgehört hatte zu schneien, bemerkte er auch nicht, da es unablässig von den Ästen rieselte. Ganze Schneebrocken lösten sich hin und wieder und erschreckten Pferd und Mensch gleichermaßen.
Endlich zügelte Rhonan erneut sein Pferd und weckte die Prinzessin. Verschlafen öffnete sie die Augen und blinzelte ihren Begleiter müde an.
»Wir sind da, Caitlin. Ich muss absteigen«, erklärte er knapp.
Errötend zog sie ihre Hände aus seinem Hemd und löste sich aus seiner Umarmung.
Er schwang sich aus dem Sattel und stapfte durch den Schnee.
Die Prinzessin wickelte sich fest in ihren Mantel und gähnte herzhaft. »Mir ist erstaunlich warm. Aber Gideon, du siehst ganz verfroren aus«, erklärte sie im Ton tiefsten Bedauerns.
Ihr Begleiter sah sich lediglich in der Lage dazu, unwirsch zu brummen. Er
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