Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
lass uns nicht allein!«
Weiter ging es, weiter und immer weiter, bis Rhonan plötzlich stehen blieb, lauschte und die Luft ausstieß. »Deine Bitte kam zu spät, Prinzessin!«
Gideon versuchte auch, etwas zu hören, aber das Rauschen in seinen Ohren übertönte leisere Geräusche.
»Was ist?«, fragte er und wusste, dass er die Antwort eigentlich nicht hören wollte.
Sein Begleiter zeigte nach vorn in Richtung Bergmassiv. »Kein geeigneteres Kampfgebiet! Schneewölfe!«
Der Verianer war zu entsetzt, um ein Wort herauszubringen.
Caitlin atmete nur noch stoßweise, sah vom einen zum anderen, fand in den erschöpften Gesichtern keinerlei Trost und warf sich an Rhonans Brust. »Oh bitte, ... sag, dass das ... nicht wahr ist! Sag, ... dass du dich ... geirrt hast! Bitte, Rhonan, sag ... irgendwas! Ich sterbe vor Angst.«
»Niemand stirbt vor Angst!« Er schlang eher gedankenverloren als liebevoll die Arme um die junge Frau und starrte mutlos vor sich hin. Dann glitt sein Blick bergauf und bergab und wurde nachdenklich. Endlich murmelte er mehr zu sich selbst: »Vielleicht können wir das ausnutzen. Vor uns Feinde und hinter uns, aber unsere Feinde mögen sich gegenseitig auch nicht! Sie werden sich bekämpfen, wenn sie aufeinandertreffen, aber wir sollten tunlichst nicht mittendrin sein.«
Wie sollte das gehen? Gideon sah sich gehetzt um. »Glaubst du, die Berge da könnten uns Sicherheit bieten?« Er wies auf drei dicht nebeneinanderstehende Felsen, die nicht sehr weit links von ihnen aus dem Schnee ragten. Viel mehr war aus dieser Entfernung nicht zu erkennen.
»Keine Ahnung, aber besser als nichts! Versuchen wir, hinzukommen. Hör auf zu weinen, Prinzessin! Wir müssen weiter.«
Sie klammerte sich Halt suchend an ihn. »Ich hab Angst. Sag bitte, dass wir es schaffen!«
»Wir schaffen es!«
»Wirklich?«
»Vorausgesetzt, wir beeilen uns!«
Wacker kämpfte sich Caitlin an der Seite ihrer Begleiter weiter, aber der Weg zu den so nahe geglaubten Felsen schien endlos zu sein. Gideon verlor jedes Zeitgefühl, und seine Beine knickten immer wieder ein. Seine Knie versteiften sich zunächst, dann wurden sie weich wie Brei.
Caitlin keuchte und ächzte und wurde schnell wieder von Rhonan halb getragen, halb gezogen. Der hoffte inständig, dass die Schneewölfe auch wirklich kamen, um die Wolfsjäger zu bekämpfen. Die waren mittlerweile noch näher gekommen. Das Heulen der Schneewölfe war indes nicht deutlicher geworden. Er stöhnte auf und verfluchte sich für seine Dummheit. Der Wind kam vom Berg. Die Schneewölfe hatten ihre Witterung vermutlich noch gar nicht aufgenommen.
»Lauft zu den Felsen! Versucht, irgendwo Schutz zu finden! Ich komm gleich nach«, rief er, warf Gideon das Gepäck zu und wandte sich schon in Richtung Bergmassiv um.
»Was hast du vor?«, keuchte Gideon atemlos.
»Wölfe anlocken!«
»Grundgütiger!«, entfuhr es dem Verianer.
»Du willst uns allein lassen?«, stammelte Caitlin.
»Lauf, Prinzessin! Es ist nicht mehr weit, und ich bleib in der Nähe.«
Gideon ergriff sie am Ärmel und zerrte sie weiter. »Komm, Rhonan weiß schon, was er tut!« Hoffentlich!, setzte er in Gedanken hinzu.
Der Prinz hastete bereits den Berg hoch. Vielleicht war er schon nah genug, vielleicht auch nicht. Mehr als einen Versuch hatte er nicht, denn das Heulen der Wölfe hinter ihm wurde bedrohlich laut. Es blieb nur noch wenig Zeit. Ohne anzuhalten, schob er seinen Ärmel hoch, schnitt mit einem Dolch seinen Verband durch und riss ihn mit einem Ruck ab. Er hatte Glück: Das Leinen klebte an der fast verheilten Wunde fest, und das Abreißen öffnete sie wieder. Frisches Blut sickerte hervor.
Kräftig scheuerte er den Verband darüber und blieb endlich stehen, um das Leinen um einen Pfeil zu binden. Es dauerte schrecklich lange, weil seine Hände zitterten. Er legte den Bogen an, spannte die Sehne, versuchte, das nahe Heulen zu verdrängen, atmete mehrmals ruhig ein und aus und schoss. Das frische Blut müsste sie eigentlich anlocken, wenn der Pfeil weit genug flog, wenn sie hungrig waren und wenn seine Überlegungen richtig waren. Mehr konnte er jedenfalls nicht tun.
Er spürte, wie sein Körper den Strapazen nachzugeben drohte. Flüssiges Blei schien durch seine Adern zu fließen, ließ Arme und Beine schwer werden. Jeder Muskel wehrte sich gegen die Überanstrengung und zog sich schmerzhaft zusammen. Weiße Punkte tanzten vor seinen Augen, und Brustkorb und Schädel standen vorm Bersten.
Ein Heulen
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