Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
fing, aufheulte.
Auch wenn Rhonan so eklig zu ihr gewesen war, schaute sie lieber wieder auf dessen Rücken, denn der schien ihr der einzige Halt zu sein.
Das Gepäck war bald oben, und das Seil wurde erneut geworfen.
Keuchend kam letztlich auch Gideon über den Rand gekrochen. »Diese Kälte frisst einen auf«, stöhnte er, und Dampfwölkchen bildeten sich vor seinem Mund. »Glaubst du, wir schaffen die Wand heute noch?« Stöhnend dehnte er seine verkrampften Glieder.
»Unwahrscheinlich«, erwiderte der Prinz. »Ich hoffe nur, dass wir einen geeigneteren Platz für unser Nachtlager finden. Hier müssten wir Angst haben, schlafend in die Tiefe zu kippen. Ich komm zurück, wenn ich keinen finde. Haltet euch in der Zwischenzeit möglichst warm!«
Rhonan war begeistert, schon nach kurzer Kletterei ein geeigneteres Plateau zu finden, wenn es auch wenig Schutz vor dem Wind bot. Aber er war viel zu erledigt, um noch weiterzukommen.
Wenig später bauten zwei erschöpfte Männer dort das Zelt auf. Der Prinz konnte nicht einmal mehr die Haken zur Befestigung einschlagen. Der Hammer entglitt immer wieder den schmerzenden, kraftlosen Fingern.
Gideon nahm ihn ihm schnell ab. »Deine Hände sehen grauenhaft aus«, bemerkte er trübe.
»Sieht schlimmer aus, als es ist«, erklärte der Prinz achselzuckend, und der Verianer nickte müde. »Ich leg gleich Kräuterverbände an. Weißt du, das war heute ein richtiger Ausgleich. Bisher taten mir immer nur die Beine weh, heute kann ich auch die Arme kaum noch bewegen!«
»Das größte Stück ist geschafft! Wir müssen ja gottlob nicht bis zum Gipfel. Wenn die Horkas recht haben, erreichen wir morgen die Höhle.«
Gideon nickte erneut, warf einen Blick auf ihre in sich zusammengesunkene Begleiterin, beugte sich zu Rhonan und flüsterte ihm zu: »Du solltest Caitlin einmal loben. Sie ist heute über sich hinausgewachsen. Ich glaube, sie wartet auf ein nettes Wort von dir.«
Der Prinz seufzte tief. Der Gelehrte hatte ausgesprochen, was er selbst gedacht hatte, aber so etwas hatte ihm noch nie gelegen. Er konnte kämpfen, mit dem Reden war das eine ganz andere Sache! So lange wie möglich beschäftigte er sich mit dem Herrichten des Zeltes. Umständlich wie nie schichtete er die warmen Decken im Inneren auf. Immer wieder überprüfte er, ob das Zelt auch einem Sturm standhalten würde.
Gideon hatte unterdessen eine kleine Mahlzeit zubereitet und schließlich Rhonans Hände versorgt. Der fand leider gar nichts mehr, womit er sich sinnvoll oder sinnlos beschäftigen konnte, und betrachtete trübsinnig die schweigende Prinzessin. Ganz entgegen ihrer Gewohnheit schien sie kaum Hunger zu haben und stocherte lustlos im Essen herum.
Der Prinz räusperte sich einmal, zweimal. »Das war heute sehr, sehr anstrengend für dich, nicht wahr?« Er erntete nur einen bösen Blick, räusperte sich erneut und fuhr fort: »Aber du warst ... äh ...«
»Wolltest du langsam sagen?«, fauchte sie ihn giftig an. »Was hast du noch gesagt, als ich hier ankam ... völlig am Ende meiner Kräfte? Sogar ein Sumpfwurm wäre schneller als ich?«
Gideon warf seinem Begleiter einen ungläubigen Blick zu. Solche Bemerkungen sahen dem überhaupt nicht ähnlich. Aber offenbar hatte der Gletscher auch dem sonst so ausdauernden und ausgeglichenen Prinzen Grenzen aufgezeigt.
Der hüstelte auch verlegen. »Das war dumm und ist mir nur so rausgerutscht, Caitlin! Ich entschuldige mich dafür!«
»Pah!«, stieß sie aus und wütete mit dem Löffel in ihrer Schale.
»Komm, hör bitte auf!«, bat er in versöhnlichem Ton. »Du warst unglaublich tüchtig, und ich war nur schlecht gelaunt, weil ich sonst auch nicht auf eisigen Bergen herumklettere und mich so dämlich angestellt habe. Ich hätte meine Wut darüber nicht an dir auslassen dürfen. Du hast dein Bestes gegeben und hast ja recht, wenn du auf mich böse bist. Es tut mir ehrlich leid.«
Die Prinzessin sah ihn todtraurig an, und Tränen hingen in ihren langen Wimpern.
Unwillkürlich rutschte er zu ihr hinüber und zog sie an sich. »Nicht weinen, Caitlin! Ich wollte dich nicht verletzen, und ich habe es wirklich nicht so gemeint. Es war ... ich war ... Verzeih mir, bitte!«
Sie schmiegte sich an ihn und sah mit flehendem, tränenfeuchtem Augenaufschlag zu ihm auf, war jetzt durchaus bereit, sich von ihm trösten zu lassen und ihm schließlich gnädig zu vergeben.
Gideon hantierte mit dem Kochgeschirr und kam sich plötzlich ziemlich überflüssig vor.
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