Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
Dann fiel ihm plötzlich etwas ein. »Ich weiß, wie wir ihn unterstützen können. Wir werden unsere Rucksäcke selber tragen. Das Gepäck wird sonst zu schwer. Bei der Höhe wird er es kaum hochziehen können.«
Das brachte sie jetzt doch vom Kurs ab. Während sie bisher ununterbrochen zum Gletscher gesehen hatte, wandte sie ihren Blick nun dem Verianer zu. Entrüstet keuchte sie: »Das ist nicht dein Ernst!? Ich soll bei dieser elenden Kletterei auch noch einen Rucksack tragen? Den kann ich nicht einmal beim Gehen schleppen. Der ist viel zu schwer.«
»Es wird anstrengend, sehr anstrengend für uns werden, aber, wie du schon sagtest, er sieht auch erschöpft aus. Wir können den Rucksack ja so weit leeren, bis du ihn tragen kannst.«
»Dann kann ich’s auch gleich ganz lassen. Ich bin leider sehr schwach, und was sollen wir oben mit einem leeren Rucksack?«
Da der Gelehrte nur seufzte, schaute sie wieder die Gletscherwand hoch, was sie prompt wieder auf Kurs brachte. »Sag mal, Gideon, was glaubst du? Welche Art Frau bevorzugt ein Mann wie Rhonan wohl?«
Der Verianer fühlte sich hoffnungslos überfragt. Er hätte nicht einmal sagen können, welche Art Frau er selbst bevorzugte. Eigentlich hatte er Frauen noch nie nach bestimmten Arten eingeteilt. Er ließ sich daher Zeit mit der Antwort. Als er dann antwortete, tat er das mit einem schlechten Gewissen der Prinzessin gegenüber, aber mit gutem Gewissen bezüglich der Bewältigung ihrer gemeinsamen Aufgabe. »Na ja, ich denke mal, bei den Anforderungen, die das Leben an ihn stellt, wird er sich vermutlich eine Frau wünschen, die ihm unterstützend zur Seite steht. Der Häuptling hatte nicht ganz unrecht, als er meinte, zu einem großen Krieger gehöre eine Kriegerin.«
Mit einem Seitenblick auf die unglücklich wirkende Prinzessin fügte er an: »Zurzeit wird er sich darüber aber kaum Gedanken machen. Du kennst ihn doch mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass seine Gedanken immer ganz bei der Aufgabe sind, die gerade vor ihm liegt. Ich glaube nicht, dass er zurzeit auf Brautschau ist.«
Die Priesterin war eine Weile still. Dann erklärte sie unvermittelt: »Ich werde mit Rucksack klettern. Ich schaff das schon ... bestimmt ... irgendwie!«
Gideon lächelte in sich hinein.
Je höher Rhonan kletterte, desto kälter wurde es. Sturmböen fegten mittlerweile um den Gletscher. Der Prinz fror und schwitzte gleichermaßen. Schweiß tropfte ihm in die Augen, Gesicht und Finger waren vor Kälte nahezu taub, Arme und Beine zitterten vor Anstrengung. Er konnte die Bolzen kaum noch halten, und der kurze, schwere Hammer schien bald mehr als ein Pferd zu wiegen.
Erleichtert zog er sich auf einen kleinen Absatz. Keine zwei Pferdelängen tief, bot er wenig Schutz, zumindest jedoch die Gelegenheit, seine Begleiter nachkommen zu lassen. Er verlor keine Zeit, das Seil wieder hinunterzuwerfen. Inständig hoffte er, dass die Prinzessin zumindest versuchen würde, möglichst weit zu kommen. Er dachte besser nicht darüber nach, was sonst geschehen würde, denn sehr viel traute er seinen Armen nicht mehr zu. Er achtete darauf, das Seil immer straff zu halten, um seine Begleiterin zu unterstützen, legte dabei immer wieder Schlaufen zur Sicherheit um einen kleinen Felsen.
Caitlin erklomm Bolzen für Bolzen, Eisloch für Eisloch den Gletscher. Ihre Finger waren eiskalt, und trotz der anstrengenden Kletterei fror sie erbärmlich. Einmal wurde sie von einer Bö fast weggerissen. Mit einem Aufschrei klammerte sie sich am Bolzen fest. Das Seil spannte sich sofort. Sie holte tief Luft und arbeitete sich weiter vor. Eigentlich ging es einfacher, als sie erwartet hatte, wären nur die Kälte und der schneidende Wind nicht gewesen. Sie traute sich nicht, einen Blick nach unten oder oben zu werfen, sah immer nur auf den nächsten Bolzen und das nächste Eisloch. Niemand sollte ihr nachsagen können, sie gäbe sich keine Mühe. Sie wollte nicht über das nachdenken, was sie gerade tat, denn dann würde sie sich nur noch zitternd an den nächsten Bolzen klammern.
Also dachte sie an Rhonan. Der strahlte eine unglaubliche Kraft und Unerschütterlichkeit aus. Nie zuvor hatte sie so feste Muskeln gespürt, allerdings war sie bisher auch nur den Priesterinnen so nahe wie ihm gekommen, und die hatten eine Menge Vorzüge, aber keine starken Muskeln.
Sie liebte seine dunkle Stimme. Wenn er inmitten vieler Feinde sagte, dass sie keine Angst haben musste, dann glaubte sie das auch.
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