Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
hörte.
Der Prinz antwortete schnell, da er die halbe Nacht darüber nachgedacht hatte: »Als sie mich kennenlernte, war ich für sie ein ungehobelter, trunksüchtiger Krüppel. Jetzt sind wir seit Tagen mutterseelenallein in einer nun wirklich unwirtlichen Gegend unter Feinden aneinandergekettet, und sie glaubt plötzlich, verliebt zu sein. Wenn wir wieder außerhalb jeder Gefahr und unter Menschen sind, wird sie ihren Irrtum schnell erkennen.«
»Glaubst du das ernsthaft?« Der Miene des Verianers sah man den Zweifel deutlich an.
»Bei allen Göttern, Gideon! Es soll nicht ungewöhnlich sein, dass sehr junge Mädchen sich in ihre Beschützer verlieben. Das legt sich, wenn die Gefahr vorüber ist.«
Gideon schüttelte den Kopf. »Was du so alles weißt! Hast du schon einmal daran gedacht, dass wir uns in den letzten Tagen besser kennengelernt haben als manche in Jahren? Natürlich ist Caitlin von deinem Mut und deiner Stärke beeindruckt, das bin ich auch, aber sie hat auch andere Seiten erlebt: Fieber, Schüttelfrost, Krämpfe, zitternde Hände! Selbst deine innere Unruhe ist ihr aufgefallen. Ich glaube, sie kennt mittlerweile auch genug Schwächen von dir und hat sich trotzdem verliebt. Weißt du, richtig bewusst ist ihr das anscheinend auch nicht geworden, als du todesmutig gegen den Häuptling gekämpft hast, sondern als du ihr auf dem Gletscher besinnungslos in die Arme gekippt bist. Ich glaube daher nicht, dass sie nur an Heldenverehrung leidet.«
»Du solltest damit anfangen, die Finger zu bewegen, damit du nachher nicht noch mehr Schwierigkeiten hast!«
Gideon krümmte und streckte gehorsam die Finger und verzog sofort schmerzvoll das Gesicht. »Du weichst mir aus!«
»Warum sollte ich? Ich habe nur keinen Kopf für Phantastereien, ich habe wichtigere Dinge zu bedenken.«
Die hatte er einige Zeit später in der Tat. Es stürmte zwar nicht mehr ganz so stark, dafür hatte es wieder begonnen, heftig zu schneien. Nebel oder auch Wolken umgaben sie, und die Sichtweite betrug kaum zwei Pferdelängen. Es grenzte an Selbstmord, auch nur das Zelt zu verlassen. Aber wer konnte wissen, ob es morgen oder übermorgen besser werden würde. Das durchgebratene Fleisch der Horkas war hart, unansehnlich und nahezu ungenießbar geworden. Gideon hatte es noch gekocht, aber selbst Rhonan war es schwergefallen, das eklige Zeug hinunterzuwürgen. Caitlin hatte nahezu teilnahmslos ewig lange auf einem einzigen Bissen herumgekaut und ihn dann ausgespuckt.
Wenn sie die Höhle erreichen wollten, mussten sie es schaffen, bevor die letzten Kräfte aufgebraucht waren. Also heute!
Allein der Anblick des Gürtels mit der Hacke, dem Hammer und den Bolzen verursachte Rhonan Magendrücken, aber ohne jedes Wort schnallte er ihn um. Der Weg nach oben, der nicht zu sehen war, Kälte und nasser Schneefall ließen ihn denken, dass er verrückt war, jetzt den Göttergipfel besteigen zu wollen. Ein Blick auf seine torkelnden Begleiter ließ allerdings nur diese Entscheidung zu. Er machte sich an den Aufstieg.
War die Kletterei gestern eine Qual gewesen, war sie heute die Hölle. Er sah nichts, konnte nur tasten und kam so langsam voran, dass er ernsthaft befürchtete, die Strecke heute doch nicht mehr zu schaffen. Immer wieder musste er innehalten, um sich festzuklammern, wenn eine Bö um den Berg fegte. Durch den dichten Schneefall konnte er kaum etwas erkennen und hoffte nur, dass er sich überhaupt noch auf dem Weg zur Höhle befand. Dann hörte der Schneefall auf und machte dichtem Wolkennebel Platz. Allein das Wissen, dass der Weg zurück mittlerweile genauso gefährlich war wie der nach oben, trieb ihn vorwärts. Er sah nichts mehr, fühlte nur noch den Felsen und kämpfte sich weiter und weiter empor, achtete bald nicht mehr auf Raum und Zeit und spürte kaum noch, wenn der Hammer seine blutigen Hände traf. Fiel ihm ein Bolzen aus den Fingern, nahm er den nächsten, kam eine Windbö, hielt er sich fest. Er tastete, verfehlte, rutschte ab, zog sich hoch, hackte und hämmerte und kletterte weiter.
Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie lange er geklettert war, aber irgendwann erreichte er ein Plateau und sah den Eingang einer Höhle vor sich.
Gideon und Caitlin, die sich zum Schutz gegen die Witterung in sämtliche Felle gehüllt hatten, sahen beklommen auf das baumelnde Seil. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass sie das Zelt und alles, was sie nicht dringend benötigten, zurücklassen wollten. Waffen und Reste ihrer
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