Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
ja!«
»Machst du nicht! Halt doch den Arm mal still!«
»Wie soll ich denn dann werfen? Das ist doch dumm!«
»Der Arm ist für die Entfernung, die Hand für das Umwickeln!«
»Ja, aber es wickelt sich doch nicht!«
»Himmel! Du musst nur üben!« Er kippte zur Seite, biss die Zähne zusammen und krümmte sich unter einem Krampf.
Ungeduldig wartete sie neben ihm, bis er sich entspannte. »Jetzt geht es wieder, nicht wahr? Also schau mal, wenn ich jetzt so drehe, ist das dann richtig?«
Er blinzelte, weil er sie nur verschwommen sah, und wischte sich schwer atmend den Schweiß aus den Augen.
»Sieh mich nicht an! Sieh auf meine Hand! Ist es so richtig oder nicht?«
Er leckte sich über die Lippen, raffte von irgendwoher letzte Kraftreserven zusammen und verbesserte ihre letzte Schwungbewegung. »Verstanden?«
Caitlin übte verbissen weiter. Rhonan wurde auch weiterhin voll mit beansprucht. Die Prinzessin redete auf ihn ein, zerrte und zupfte an ihm herum, um ihn zur Mithilfe zu bewegen. Gideon war etliche Male nahe daran, einzuschreiten, denn sein Mitgefühl für den Prinzen wuchs bei jeder Nörgelei von Caitlin. Allein der Umstand, dass Rhonans Blick schon lange nicht mehr zum Branntweinbeutel gewandert war, hielt ihn davon ab.
Der selbst war tatsächlich nur noch damit beschäftigt, keinen jammervolleren Anblick als nötig zu bieten, und schaffte es schließlich sogar, die Augen offen zu halten, damit es so aussah, als sähe er ihr zu. Doch allmählich klärten sich die Bilder vor seinen Augen. Irgendwann stand er schwankend hinter ihr, um mit ihr die Ausholbewegung zu üben, und wieder einige Zeit später freute er sich mit ihr über ihren ersten Erfolg.
Gideon atmete auf und hoffte, dass der Prinz das Schlimmste überstanden hatte.
Beim gemeinsamen Abendmahl, das Caitlin mit Prahlereien über ihr unglaubliches Geschick und mit tödlichen Mutmaßungen bezüglich kommender Feinde würzte, ließ Rhonan plötzlich sein nahezu unberührtes Brot sinken und starrte vor sich hin.
»Was ist?«, fragte der Verianer sofort besorgt. »Geht’s dir wieder schlechter?«
»Nein! Das Geräusch, das ich heute Morgen gehört habe, jetzt weiß ich, was das war: Kinians Hexe!«
»Eine richtige Hexe diesmal, oder sind nur alle Frauen Hexen für dich?«, wollte Caitlin wissen.
Er überging ihre Frage und erzählte mit knappen Worten, dass er das Geräusch schlagender Flügel schon einmal gehört hatte. Vor knapp sechs Jahren war er mit einigen Tempelwächtern hier gewesen, um Jaspis-Stein abzubauen. Während sie geschürft hatten, hatte in Kairan die Jagd auf ihre Kameraden begonnen. Um die fehlenden Tempelwächter zu finden, hatte der Großinquisitor seinen Jäger Kinian und dessen Hexe ausgeschickt. Die Hexe war eine Missgeburt ohne Augen und schrecklich verunstaltet, aber mit Hilfe der Magie konnte sie ihren Geist wie einen Vogel fliegen lassen. Sie hatte damals die nichtsahnenden Tempelwächter aufgespürt. Unweit der Mine waren sie von Ligurius’ Leuten gefangen genommen worden und im Kerker gelandet. Jeden Tag waren zwei Tempelwächter auf dem Scheiterhaufen gestorben. Rhonans Augen wurden bei der Erzählung immer dunkler und seine Stimme rauher, und seine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten, als er berichtete, wie die übrigen Templer der Vollstreckung der Todesurteile hatten beiwohnen müssen. Unmittelbar nach jeder Hinrichtung waren sie öffentlich gefragt worden, ob sie ihrem Ketzertum abschwören wollten. Keiner hatte seinen Glauben verleugnet. Die Kairaner hatten schweigend und vielfach mit Tränen in den Augen zugesehen, aber nicht einer hatte aufbegehrt. Menschen, die die Tempelwächter zuvor als Wohltäter angesehen hatten, sahen nun ihrem Sterben zu. Von zweiundsechzig hatten nur noch wenige gelebt, als Camora den Priesterrat aufgelöst hatte. Die waren nach Amansdier gebracht worden, wo die geschwächten Gelehrten allerdings auch nicht lang überlebt hatten.
Caitlin langweilte der Bericht, da der Tod fremder Männer sie kaum interessierte. Lieber widmete sie sich dem Essen.
Den Gelehrten schauderte es dagegen unwillkürlich. »Diese gütigen Menschen. Sie haben Unzähligen geholfen. Und keiner von denen half ihnen?«
Rhonan stieß die Luft aus. »Sie hätten vielleicht gern, aber ihnen fehlte der Mut. Vater Ligurius hatte längst sein Netz über Kairan gesponnen. Seine Spione waren überall, und niemand wusste, wer alles zu ihnen gehörte. Menschen, die sich in geselliger Runde gegen
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