Neobooks - Die Zitadelle der Träume
schon unterspülte Bäume oder sogar ganze Böschungen mit.
Gideon genoss die einzigartigen Naturschauspiele, wenn die tosenden Fluten sich an Felsen mitten im Strom brachen und die Gischt unendlich hoch spritzte, wenn Stromschnellen Baumstämme wie Stöckchen durch die Luft wirbelten, oder, wenn der Fluss mit ohrenbetäubendem Lärm in die nächste Ebene stürzte und dabei in seinen glitzernden Wasserwolken wunderschöne Regenbogen entstehen ließ. So hingerissen war er von den Bildern der ungezügelten Gewalt des Wassers, dass seine Begleiter ihn hin und wieder zurückholen mussten, wenn er dem gefährdeten Ufer zu nah kam. Schnell wurde dem Gelehrten klar, dass seine Begeisterung eine Art Flucht aus der Wirklichkeit war. Sie lenkte ein wenig von Sorgen und Ängsten und von Erschöpfung und schmerzenden Gliedern ab.
Von früh bis spät waren sie unterwegs gewesen, oft hatten sie dabei ihre Pferde führen müssen. Fünfmal waren sie auf kleinere Gruppen von Hordenkriegern gestoßen, die ihnen allerdings keine größeren Schwierigkeiten bereitet hatten. Caitlin und Hylia trugen mit ihren Zaubern nicht unerheblich dazu bei, dass es nur selten zu Verletzungen der Kämpfer kam. Hordenkrieger, die von Stürmen gegen Bäume geschleudert wurden oder vom Blitz getroffen zu Boden gingen, gehörten schnell genauso zum Kampfgeschehen wie Schwertkämpfe.
Für Gideon war es besonders beeindruckend, Rhonan mit Kahandar kämpfen zu sehen. Der war schon vorher ein begnadeter Kämpfer gewesen, ungeheuer kraftvoll, schnell und geschmeidig, aber mit der Eisklinge in der Hand schien er unbesiegbar. Trotzdem begann er, sich Gedanken um ihn zu machen, denn Rhonan wirkte immer häufiger abwesend, manchmal sogar ausgesprochen unwirsch. Jede Frage nach dem Grund dafür hatte der Prinz stets als Unsinn abgetan. Allerdings hatte er in den letzten Tagen nur noch wenig Zeit für seine seltsamen Stimmungsschwankungen gehabt, da Caitlin immer müder und unwilliger wurde und ihn pausenlos beanspruchte. Wenn sie reiten konnten, saß sie zusammengesunken mit auf seinem Pferd, mussten sie gehen, durfte er sie mehr oder weniger tragen.
Gideon selbst konnte ihnen nicht helfen, da er schon froh war, sich überhaupt noch allein auf den Füßen zu halten, Derea kümmerte sich weitgehend um die gleichfalls sehr mitgenommene Hylia. Marga und Juna klagten zwar nie, wären einer zusätzlichen Belastung aber kaum gewachsen gewesen, und der General war so einsichtig, seine Hilfe erst gar nicht anzubieten. Keiner von ihnen hätte etwas gegen eine etwas längere Rast gehabt, und die Zeit dafür wäre auch vorhanden gewesen, aber wer wollte schon gern länger im Zelt verweilen.
Grund zur größeren Eile bestand eigentlich nicht, denn von Derea hatten sie erfahren, wann mit der Entscheidungsschlacht zu rechnen war. Der Schwarze Fürst war so zuvorkommend gewesen, seinen Feinden mitzuteilen, dass er sie am Göttertag vor der Zitadelle der Träume erwartete. Seine Überheblichkeit war schon immer riesengroß gewesen, aber dass er den Gegnern jetzt ganz offen die Möglichkeit bot, sich zu vereinen und ihre Truppen zu sammeln, konnte nur noch als Hohn und Spott aufgefasst werden. Mit dem Schattenheer im Rücken konnte er sich diese Geringschätzung allerdings auch leisten.
Gideon bekam eine Gänsehaut, wann immer er nur an diese Armee dachte. Seine Gedankengänge wurden jäh unterbrochen.
»Weiß jemand, was das ist?«, fragte Rhonan nämlich gerade und wies auf ein Anwesen, das nicht weit vor ihnen auftauchte.
»Borka, das Landgut des Fürsten Marcos. Der war einst Regent in Kambala«, erklärte Derea.
Da er mittlerweile herausgefunden hatte, dass sein Schwager nicht viel über die unterschiedlichen Fürstenhäuser wusste, fügte er hinzu: »Er ist ein Feigling, aber kein Anhänger Camoras. Hat dem Schwarzen Fürsten Kambala kampflos übergeben und durfte sich zum Dank dafür hierher zurückziehen, hängt sein Fähnchen eben gern in den Wind. Ich vertraue ihm nicht unbedingt, aber unsere Pferde benötigen nach dem schwierigen Gelände Ruhe und wir auch. Wäre eine gute Gelegenheit, eine Rast einzulegen.«
»Oh, ja, bitte«, erklärte Caitlin sofort mit leuchtenden Augen. »Ich jedenfalls benötige dringend Ruhe und würde schrecklich gern ein Bad nehmen.«
»Ich weiß nicht so recht.« Ihr Gatte rieb sich gedankenverloren übers Kinn, was sie dazu veranlasste, sofort heftig zu nicken. »Ja, genau! Rasieren müsstest du dich auch endlich einmal
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