Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
nicht schwarz, sondern irgendwie anthrazit- oder graphitfarben mit ein paar Strähnen. Und sie hatte jetzt rote Fingernägel. Das war alles? Auf dem Weg zum Hotel verflog sein Unmut, und er war überrascht, als sie ihn darauf ansprach. Im Spiegel des Fahrstuhls fing sie seinen Blick ein und sagte: »Mir hat es auch zu lange gedauert.«
Ross wusste nicht, was er darauf antworten sollte; dass sie sich für etwas entschuldigte, war neu. Sie deutete sein Schweigen falsch und fuhr fort: »Ich habe ein komplettes makeover gebraucht. Bei den verdammten Nonnen durften wir uns gerade mal die Beine rasieren.«
Er sagte: »Ihr Haar ist gut geworden.«
»Ihres auch.«
»Aber fühlt sich ungewohnt an.«
Der Fahrstuhl hielt und entließ sie.
»Bis morgen haben Sie sich daran gewöhnt. Hören Sie,« jetzt war sie wieder ganz sie selbst, »ich esse nicht zu Abend. Seien Sie bis zehn Uhr fertig. Um halb elf gehen wir.«
Ross duschte, um die Gerüche des Nachmittags loszuwerden, schlief eine Stunde, bestellte sich beim Zimmerservice ein Bier und etwas zu essen und kleidete sich an: den neuen Anzug, das letzte saubere Hemd, das er mithatte, und das er über der Hose trug, weil es nicht für eine Krawatte gemacht war, und seine teuren Schuhe. Der Anzug war enger geschnitten, als er es gewohnt war, und ließ ihn lässiger wirken, als er sich fühlte. Im mannshohen Spiegel an der Innenseite der Badezimmertür begutachtete er sich. Einerseits gefiel ihm, was er sah, andererseits war ihm sein Spiegelbild nicht mehr vollständig ähnlich, und irritierte ein wenig. Instinktiv wehrte er sich gegen eine zusätzliche Verunsicherung, auch wenn sie nur geringfügig war. Die Situation, in der er sich befand, war unübersichtlich genug. Er war auf sich gestellt und deshalb darauf angewiesen, eins mit sich zu sein. Während er noch dabei war, sich mit den Neuheiten in seiner Erscheinung anzufreunden, summte das Telefon. Das Geräusch war laut in dem stillen Raum und ließ ihn zusammenfahren.
»Wenn Sie so weit sind, dann kommen Sie zur Verbindungstür«, sagte das Mädchen, als er abhob. Ross drückte die schweren Schiebetüren auf seiner Seite auseinander. Die Flügel auf der anderen Seite waren nur zentimeterweit geöffnet. Durch den Spalt sagte sie: »Was wir jetzt machen, Walter, ist eine Art Spiel. Betrachten Sie es als Teil Ihres Jobs, und geben Sie sich Mühe, okay? Fertig?«
Was? »Äh, ja.«
Die Türen rollten polternd auseinander. Das Mädchen trat einige Schritte zurück und stellte sich in Modelpose auf, die Hände auf den Hüften. »Und?«
Ross starrte sie an, als würde er sie wieder zum ersten Mal sehen.
»Wie sehe ich aus?«
Er räusperte sich. »Gut.«
Sie rollte genervt die Augen. »Vamos! Sie sollen sich Mühe geben! Sie müssen doch wissen, wie das geht! Sie waren doch mal verheiratet!«
Auch sie hatte sich verwandelt. Sie trug Make-up, Lippenstift, Schmuck an Hals, Ohren und Fingern, Hand- und Fußgelenken. Sie hatte Sandalen an, die sie morgens gekauft hatte, einen knielangen Wickelrock aus dünnem Baumwollstoff, feuerwehrrot und bedruckt wie ein Hawaiihemd, ein schwarzes Stretchtop mit einem tiefen V-Ausschnitt und Dreiviertel-Ärmeln. Ross vermisste das helle Auge – sie trug veilchenblaue Kontaktlinsen.
»Sie sehen gut aus.« Umwerfend.
Sie ließ nicht locker. »Ich habe dicke Beine.«
Auf einmal begriff er, was sie wollte. »Nein. Nein, Sie haben schöne Beine. Glauben Sie mir. Ich verstehe was von Beinen.«
»Ich habe einen Hintern wie eine Negerin.«
»Das macht nichts, ich meine, das muss so sein. Alle schönen Frauen …«
Sie zwickte die unbedeckte Körperpartie zwischen dem Saum des Oberteils und dem Bund ihres Rocks.
»Ich bin fett.«
Aber ihre Haut war straff, unter der Polsterung war ihr Bauch flach, und sie hatte eine ausgeprägte Taille. Ross musste nicht nachdenken. »Erinnern Sie sich, wie Uma Thurman John Travolta erklärt, dass Frauen ein Bäuchlein haben müssen?«
»Uma Thurman! Uma Thurman passt jetzt nicht! Die ist dünn! Und trotzdem hat sie größere Brüste als ich!«
»Große Brüste sind vulgär. Ein kleiner Busen hat immer Klasse.«
»Busen!«, rief sie und lachte, »Walter, wo kommen Sie her?«
»Ich mag den Ausdruck Titten nicht.«
»Ich auch nicht. Sagen Sie mal ehrlich, als Mann, sehe ich jetzt aus, als wäre ich leicht zu haben?«
»Nein.«
»Nicht? Mmh. Würden Sie mit mir ausgehen?«
»Aber ich gehe ja mit Ihnen aus.«
»Nein, ich meine, richtig. Sie wissen
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