Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
Umständen gekauft. Er mochte den Laden nicht. Die tuntige Schnöseligkeit der Verkäufer irritierte ihn. Anders als die rastlosen Chinesen, bei denen er sich sonst seine Anzüge besorgte, schienen sie kein besonderes Interesse an einem Verkauf zu haben. Obwohl sie ihn gut verstanden und das auch nicht verheimlichten, sprachen sie nicht Englisch, und das Mädchen ließ sich nicht dazu herab, zu dolmetschen. Zu jeder ihrer Äußerungen veranstalteten die Verkäufer ehrerbietige kleine Tänze, aber Ross begegneten sie wie die widerwilligen Spender eines Gnadenaktes. Er entschied sich eilig für den ersten Anzug, der ihm passte und sich bequem anfühlte, und bezahlte unter den missbilligenden Blicken des Personals, indem er wie ein Zuhälter Scheine aus einem Bündel von Whittakers Geld pflückte.
Als sie so weit waren, zu gehen, tat das Mädchen etwas unerwartet Boshaftes. Vor den Augen seines neidischen Kollegen gab sie dem jüngeren der Verkäufer einen größeren Geldschein – seine weiche Hand schnappte reflexhaft zu – und beauftragte ihn, ihre gesamten Einkäufe ins Hotel zu bringen. Ross wunderte sich über sie. Sie überging demonstrativ den Älteren, Ranghöheren, und lieferte den Jüngeren der Missgunst seines Kollegen aus. Hatte sie sich auch über die beiden geärgert?
Sie sagte es ihm nicht, sondern lief vor Ross her zurück zum Hafen. Es war Mittag geworden. Nach einem halben Tag zu Fuß, und weil er den vergangenen Abend noch lebhaft vor Augen hatte, erwartete er, dass sie sich ein ausschweifendes Mittagessen leisten würde. Doch es gab nur Sandwiches und Kaffee unter einem Sonnenschirm in einem der überfüllten Straßencafés an der Promenade. Sie aß hastig, sah dabei auf die Uhr und sprang auf, sobald sie fertig war. Ross beeilte sich zu zahlen und hatte Mühe, ihr zu folgen, als sie mit großen Schritten zurück in die Stadt eilte. Erst in der Tür eines Kosmetiksalons klärte sie ihn auf. Das Hotel hatte ihr kurzfristig einen Termin besorgt, es würde ein paar Stunden dauern, und jemand käme, um ihm die Haare zu schneiden. Dann verschwand sie in Begleitung von zwei zwitschernden Damen, die sich ihr sofort unterworfen hatten, wie alle Menschen, denen sie sich mit einem Wunsch näherte.
Ross blieb neben einem Kaffee und einem nutzlosen Aschenbecher zurück. Er war der einzige Mann in diesem Panoptikum der Lichter, Spiegel und intensiven Gerüche, bevölkert von kunstvoll gestylten Frauen, die von Zeit zu Zeit deutlich weniger perfekte Kundinnen an ihm vorbei zur Tür brachten oder von dort abholten.
Nach einiger Zeit setzte sich eine der Frauen zu ihm. Sie duftete berauschend und sprach Englisch mit einer Telefonsexstimme. »Wir lassen jemand kommen, der Ihr Aare macht, Monsieur, bitte aben Sie ein wenig Gedüld. Können wir sonst noch etwas für Sie tun? Eine Gesichtsmaske? Die Augenbrauen?« Sie rückte näher, bis sich ihre Schultern berührten, nahm eine seiner Hände, drehte sie prüfend und strich sanft mit ihren Fingerspitzen darüber.
Eine Maniküre?
Ross hatte noch nie eine Maniküre gehabt, nicht einmal zu seiner Hochzeit. Eine Maniküre. Warum nicht.
Der Nachmittag verging ungewöhnlich langsam. Ross saß unbeachtet herum, fühlte jeden Luftzug an Schläfen und Hinterkopf, wo er für seinen Geschmack zu kahlgeschoren war, und betrachtete, wenn er sich unbeobachtet fühlte, seine neuen Hände. Normalerweise hatte er kein Problem damit, Zeit untätig verstreichen zu lassen. Schon als Junge hatte er auf der Jagd Geduld und Selbstbeherrschung geübt. Als Soldat, als sich lange Perioden gespannter Untätigkeit mit kurzen Phasen hektischer Aktivität abwechselten, profitierte er davon. Als Wachmann war Nichtstun praktisch sein Job, und später, als Detektiv, verbrachte er den größeren Teil seiner Zeit in geparkten Autos bei endlosen Observierungen. Kollegen, die in den Nachtschichten schlafen wollten, schätzten ihn als Partner, denn er versuchte nie, sich zu unterhalten, weil er sich anscheinend nie langweilte. Aber jetzt, als er immer länger auf das Mädchen wartete, wurde er ungeduldig. Als sie endlich wieder auftauchte, war er erleichtert und ärgerlich zugleich. Solange er zahlte, wartete sie an der Tür, und als er sie einholte, machte er sich Luft. »Was zum Teufel hat denn so lange gedauert!?«
»Wieso?«, sagte sie über die Schulter, »hatten Sie irgendwas vor?«
Fünf Stunden. Wofür? Der Zopf war verschwunden, ihr Haar war kürzer und seltsam metallisch gefärbt,
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