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Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)

Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)

Titel: Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. S. Anderson
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von der Nachtschicht bis morgens gepokert.«
    Sie erriet seine nächste Frage. »Natürlich wurde ich ungeduldig. Es ging dauernd hin und her: Sie sagten, ich könne gehen, ich wollte nicht; sie drohten, mich irgendwo auszusetzen, und ich, dass ich zur Botschaft gehen und einen Riesenwirbel machen würde. Sie warnten mich, dass sie mich unbegrenzt festhalten könnten, und ich behauptete, dass meine Familie wüsste, dass ich in Frankreich bin, und nach mir suchen würde.«
    »Das haben sie geglaubt?«
    »Sie wussten, dass ich nach Kolumbien und Costa Rica telefoniert hatte. Vom Hotel aus, am ersten Tag. Als du geschlafen hast. Weil, weißt du, eigentlich will ich gar nicht nach New York. Ich dachte …« Sie zögerte. »Ich habe niemanden erreicht, meine Mutter nicht und auch nicht meinen Großvater. Ich habe mich mit Hausangestellten und Sekretären unterhalten.«
    Auf einmal war sie verstimmt. Sie blickte an ihm vorbei, ihre dicken Lider mit den dichten Wimpern zu Schlitzen verengt. Zwischen ihren dunklen Brauen stand eine Falte. Ross starrte sie an. Die Leichtigkeit, die ihm der Wodka verliehen hatte, verflog. Plötzlich war ihm, als öffnete sich sekundenkurz eine Tür zwischen ihnen und erlaubte ihm einen Blick auf ihr Leben. Zugleich wurde ihm klar, dass sie nicht einfach wegen ihm in der Gefangenschaft geblieben war, und in Frankreich nicht nur, weil Hauser es so gewollt hatte. Dann sah sie ihn wieder an und sah, was er sah. Sie wurde verlegen, ohne jedes äußere Anzeichen, nur das blasse Auge verriet etwas davon. Ross suchte nach Worten; er wollte sie nicht durch Mitgefühl zusätzlich kränken. Er sagte: »Du hast geblufft«, und er hoffte, dass das gut genug war.
    Carmen zögerte, dann lächelte sie schief. »Nicht mit Absicht. Weißt du, die Franzosen dachten, meine Verwandten wären alle Drogengangster oder Terroristen. Ich habe das nicht begriffen, bis ich zufällig einmal Ingrid Betancourt erwähnte.«
    Sie brach ab. Entweder, sie hatte erzählt, was es zu erzählen gab, oder sie hatte keine Lust mehr, weiterzureden. Ross kannte keine Ingrid Betancourt. Er fragte nicht nach. Er sagte dem Mädchen auch nicht, dass er es für einen riskanten Fehler hielt, dass sie geblieben und den Franzosen auf die Nerven gegangen war. Das hätte auch schiefgehen können – ein scheinbar banaler Unfall, eine Überdosis von irgendwas in einem Hotelzimmer … niemand hätte lange nachgeforscht. Aber jetzt war kein guter Zeitpunkt, um sie zu kritisieren. Und überhaupt: Er war der Letzte, der Grund dazu hatte – er war ja durch sie freigekommen.
    Sie fragte: »Ich hätte gehen sollen, nicht wahr?«
    Er antwortete nicht.
    »Wärst du gegangen?«
    »Das ist nicht dasselbe. Das weißt du doch.«
    »Für mich schon!«
    Ihr Tonfall warnte ihn, und er wiegelte ab. »Es ist vorbei. Es ist nicht mehr wichtig. Was zählt ist, dass wir davongekommen sind. Von daher war alles, was du getan hast, richtig.«
    Sie antwortete nicht. Er hätte gerne weiter mit ihr gesprochen oder ihr einfach nur zugehört, aber sie schwieg, und ihm fiel nichts ein, womit er die Unterhaltung wieder in Gang bringen konnte. Sie erschien zunehmend in sich gekehrt, und er fragte sich unbehaglich, ob er ihr zu nahe gekommen war. Zog sie sich zurück, weil sie die Vertrautheit bedauerte, die sich zwischen ihnen eingestellt hatte? Schämte sie sich für ihr vermeintliches Eingeständnis von Verletzlichkeit?
    Ross begriff, dass der Abschied begonnen hatte. Die Zeit lief. Ganz gleich was er tat oder sagte, sie entfernten sich jeden Augenblick etwas weiter voneinander, und das Flugzeug trug sie unaufhaltsam dem Moment entgegen, in dem sie sich nach einem ungeschickten Händedruck und ein paar Floskeln trennen würden. Oder würde sie vor ihm ein Stück in die Knie gehen wie vor der Nonne, nur freundlicher, und sich von ihm mit Wangenküssen verabschieden? Ehe er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, fühlte er sich ertappt. Er wandte sich um und erschrak. Carmen betrachtete ihn. Drei, vier Atemzüge lang sahen sie einander an, beide warteten darauf, dass der andere etwas sagen, und Ross hoffte, dass sie lächeln würde. Endlich hielt er ihren Blick nicht mehr aus; er holte Luft, räusperte sich und schlug vor, eine zweite Runde Drinks zu bestellen.
    Carmen wollte erst essen. Er schloss sich ihr an. Tatsächlich hatte auch er Hunger, und außerdem, entschied er, war es besser, vor dem nächsten Wodka etwas im Magen zu haben. Sie aß alles auf, was sie vorgesetzt

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