Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
zurückgezogen. Ala’na fühlte mit allen mit, aber am meisten bedauerte sie, das kleine Wesen, das Jar’jana in sich getragen hatte, niemals kennengelernt zu haben. Sie hatte sich so darauf gefreut, wieder das Lachen eines Kindes zu hören, wenn es mit fliegenden Haaren und glänzenden Augen auf den Pfaden von Pal’dor entlanglief.
Was war bloß aus den Elben geworden? Als sie selbst noch ein Kind gewesen war, gab es viel mehr Kinder. In den letzten Jahrhunderten waren es jedoch immer weniger geworden. Die meisten waren alleine unter Erwachsenen aufgewachsen. Sie hatten nie mit Gleichaltrigen gespielt und ihre Kräfte gemessen. Waren die jungen Leute heutzutage deshalb so zögerlich?
Zumindest Leron’das war es nicht. Schon wieder stand er vor dem Rat, aber nicht um sich, wie Ala’na zuerst vermutete hatte, für den Ritt in die Quellenberge einzusetzen.
»Es gibt zu viele Vermutungen und Ungewissheiten. Wir glauben, dass die Menschen unsere Feinde sind, aber wir kennen sie nicht. Wir wissen nicht, was sie bewegt. Rond’taro erzählte mir von einer Verbindung, die sich Der geheime Schlüssel nennt und die uns Elben über Generationen zugetan war. Ala’na wies uns alle darauf hin, dass es unter den Menschen Herren und Knechte gibt und dass viele Menschen im Streit miteinander leben. Dies alles schürt meinen Verdacht, dass es Menschen geben könnte, die mit dem Handeln ihres Königs nicht einverstanden sind, und nährt meine Hoffnung, unter ihnen solche zu finden, die unsere Verbündeten sein könnten.« Seine dunklen Augen sahen ernst in die Runde. Ala’na erinnerten sie an tiefe Seen, unergründlich und geheimnisvoll. » Ich werde zu den Menschen gehen.«
Ein aufgebrachtes Raunen ging durch den Saal, aber Leron’das blieb stehen und sah von einem zum anderen, bis sich die Gemüter beruhigt hatten.
»Ich werde versuchen, mich als einer der Ihren auszugeben, und ich werde alleine gehen.« Er sah zu Rond’taro, und plötzlich wusste Ala’na, dass die beiden diesen Plan gemeinsam ausgeheckt hatten. Leron’das wollte alleine gehen, das hieß, dass niemand ihm dieses Vorhaben verbieten konnte. Er war jung, er hatte kein Treueversprechen abgegeben, er hatte seine Entscheidungen nur vor sich selbst zu verantworten.
»Leron’das, wir wissen deinen Mut und deine Entschlossenheit zu würdigen. Du hast dich bereits als zuverlässiger Freund und tapferer Kämpfer hervorgetan. Ich bitte dich, bring dich nicht sinnlos in Gefahr. Wir alle werden deinen Heldenmut und deine aufrichtige Freundschaft noch brauchen«, sagte Ala’na und sah ihn dabei eindringlich an. Sein Gesichtsausdruck war nicht zu deuten, aber seine Stimme war leise und zitterte ein wenig, als er antwortete.
»Mein Freund Fari’jaro starb in meinen Armen, und sein letzter Gedanke galt seiner geliebten Jar’jana. Versteh mich, Ala’na, ich werde zu den Menschen gehen, denn ich muss wissen, was aus ihr geworden ist. Ich muss wissen, was die Menschen bewegt und wie sie denken, denn das, was ich bisher von ihnen gesehen habe, ist nicht das, was Rond’taro von ihnen erzählt. Wenn es wirklich Freunde unter ihnen gibt, will ich sie finden. Wir werden Verbündete brauchen. Sie sind viele, wir sind es nicht.«
Ala’na sah hilflos zu Rond’taro. Er hatte diesen Glanz in den Augen, und Ala’na wusste, dass dies genau der Weg war, den er selbst am liebsten gegangen wäre. Der Weg eines einsamen Helden. Als er sie ansah, wärmte ein Lächeln seine Züge.
Nein, Rond’taro war kein einsamer Held, wurde ihr plötzlich klar. Rond’taro war ein Ränkeschmied. Er hatte die Fähigkeit, anderen in die Seele zu sehen und das Beste, das in ihnen lag, zutage zu fördern. Er hatte seine Fühler ausgestreckt, und das, was für sie wie wütendes Schweigen ausgesehen hatte, war Rond’taros List. Nach und nach würde es ihm gelingen, jeden Einzelnen der hier Anwesenden seiner Bestimmung zuzuführen.
Ala’na erwiderte sein Lächeln nicht. Wie konnte sie es gutheißen, wenn er sich zum geheimen Anführer aufschwang? Sie konnte es ihm allerdings auch nicht übelnehmen, dass er seine Fähigkeiten dazu einsetzte, das zu erreichen, was er schon seit beinahe tausend Jahren einforderte.
Sie sah zu ihrem Mann. Er hatte seinen Blick nicht von ihr abgewendet, aber er wirkte nachdenklich. Sie ließ es zu, dass er in ihre Seele abtauchte und sie mit seinen liebevollen Gefühlen streichelte.
»Wenn es dein Wunsch ist, zu gehen, dann sei er dir gewährt. Wir werden deinen
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