Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
hatte, solange es da gewesen war. Plötzlich, als hätte es sein Bedauern gespürt, war es wieder da. Es schimmerte golden, und er befand sich mitten auf dem lichtüberfluteten Weg. Als er vor dem Tor stand, schwang es augenblicklich auf.
***
As’gard war ein kühler Ort, und es gab viele Gründe, nicht vorzeitig dahin zu gehen. Die Pforte stand nur kurz offen, und man konnte glauben, es wäre ein Privileg, hineingelassen zu werden, aber dahinter gab es nur Vergessen. Nach einem jahrtausendealten Leben voller Erinnerungen war es bestimmt ein Segen, ins Vergessen versinken zu können, aber was bewegte jemanden, der kaum älter als hundert Jahre alt war, diesen Weg zu gehen. Nate’re, nein Josephine, verbesserte Leron’das sich, hatte ihm ausführlich von Jar’janas letzten Tagen berichtet, und in ihm hatte sich der Verdacht erhärtet, dass sie wohl irgendwo in den Zwischenwelten von dem Schicksal ihres Geliebten Fari’jaro erfahren hatte. Es war ihm zwar ein Rätsel, wieso sie ihr Kind hier auf Erden im Stich gelassen hatte, aber er kannte die tiefe Verbundenheit, die sie mit ihrem Gatten teilte.
Lume’tai hatte nun weder Mutter noch Vater und wäre wahrscheinlich selbst nicht mehr da, wenn sich nicht Nate’re ihrer angenommen hätte.
Sie war ein so wundervolles Kind und ihre Augen …
Leron’das hatte noch nie ein Kind gesehen, trotzdem war er sich sicher, dass Kinder, wie Lume’tai eines war, nicht oft geboren wurden. Er spürte die Macht, die von diesem kleinen Geschöpf ausging, und er fragte sich, was für eine Prophezeiung ihr auf der Warte gesprochen worden wäre. Weise und alt, trotzdem unwissend und neugierig hatte sie ihn angesehen, und er hatte seinen Blick nicht von dem ihren lösen können. Leron’das war ihr restlos verfallen.
Obwohl er wusste, dass sie in ihrer kindlichen Naivität wohl jeden so ansah, schien es ihm ein gutes Omen zu sein, sie gesehen und in den Armen gehalten zu haben.
Er hatte sie bei den Menschen zurückgelassen, weil es ihm richtig erschien. Sie war dort willkommen und glücklich – aber es war mehr als das. Lume’tai knüpfte ein Band zwischen den Elben und den Menschen, ein Band, das jeden Elben dazu verpflichtete, den Menschen beizustehen, die dieses Kind freundlich aufnahmen.
Leron’das jedoch hatte mehr als nur diese eine Schuld zu begleichen. Sein Auftrag lautete, Verbündete unter den Menschen zu finden und die Nachfahren Peredurs zu suchen. Doch dieser Auftrag musste jetzt warten, bis er sein Versprechen an Josephine erfüllt hatte, ihren verlorenen Sohn zu finden. Leron’das fühlte sich an seinem Verschwinden mitschuldig. Er hatte darauf beharrt, die Tore von Pal’dor unzugänglich zu machen, ungeachtet dessen, wer vor ihnen stand. Dadurch waren zwei Menschen, die mit mehr als nur freundlichen Absichten Pal’dor gesucht hatten, zu Schaden gekommen.
Theophil, einer jener Nachfahren, die zu suchen Leron’das ausgezogen war, war nun tot, und Philip war verschollen.
Leron’das tauchte unter dem Netz des Zauberers hindurch und folgte einer recht deutlichen Spur durch den Wald, aber die löste sich kurz danach beinahe vollständig auf. Stunden und Tage verbrachte er damit, dem Hauch zu folgen, der sich immer wieder wie Nebel in der Sonne auflöste. Dann fand er zufällig wieder etwas Brauchbares. Zum ersten Mal seit der Spur im Wald. In einer Senke stand eine Trauerweide, und sie erzählte ihm von einem verletzten Kind, das vor zwei Nächten bei ihr Schutz gesucht hatte. Leron’das brach sofort auf. Jetzt, da er wusste, wonach er suchte, lag die Spur sichtbar vor ihm. Die kleinen Hufe des Esels hatten ihre Abdrücke hinterlassen, und Leron’das folgte ihnen mit traumwandlerischer Sicherheit. Der einsetzende Regen ließ die Spur verblassen, doch das beeinträchtigte ihn nicht so sehr wie seine durchnässte Kleidung, die beengend und kalt an seinem Körper klebte. Dadurch fühlte er sich weniger elbisch, als ihm lieb war. Zumindest der scheußliche Hut erfüllte seinen Zweck und verhinderte, dass ihm der Regen ins Gesicht lief.
Leron’das wünschte sich seinen federleichten, wetterfesten Mantel und seine Stiefel.
Zwar war er in Waldoria von Josephine noch einmal neu eingekleidet worden und hatte jetzt sogar ein Paar Schuhe, die bei weitem nicht so unbequem waren wie die Holzschuhe, aber die Eisenbeschläge an den Absätzen klapperten ziemlich laut, so dass er sie nur dann trug, wenn es wirklich nötig war. Nötig war es immer dann, wenn Menschen
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