Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
beschimpfte er sich selbst, stieg vom Pferd und hob den Hut auf. Bin ich in einer Burg aufgewachsen oder irgendwo am platten Land?
Alles, was er jetzt noch tun konnte, war zum Gasthof zurückreiten und fragen, ob noch ein Bett frei war. Vor Zorn warf er seinen Hut gleich noch einmal auf den Boden und trat mit dem Fuß dagegen, so dass er noch ein Stück durch den Straßenstaub rutschte.
Im Torwärterhäuschen kam Bewegung auf. Walter schaute erschrocken auf, als das Zahnrad des Fallgatters knarrte und sich das schwere Tor öffnete. Auf der Straße draußen stand ein Ochsenkarren, der sich langsam in Bewegung setzte. Die Tiere mussten sich schwer ins Zeug legen, um den Wagen in den Torzwinger zu ziehen. Walter griff nach den Zügeln seines Pferdes und führte es aus der Stadt hinaus. »Halt, nicht so hastig, guter Mann. Die Torgebühr muss noch bezahlt werden.« Ein Mann mit vernarbtem Gesicht und nur noch einem Auge sah ihn erwartungsvoll an.
»Aber das Tor ist doch offen«, sagte Walter.
»Jeder, der nach Torschluss durchwill, muss zahlen«, erwiderte der Mann abfällig und streckte Walter seine Hand entgegen. Walter sah aus dem Augenwinkel, dass der Ochsenwagenfahrer der zweiten Torwache einige Münzen in die Hand zählte.
»Wie viel?«, knurrte er. Der Wächter nannte ihm den Preis für einen Reiter mit Pferd, und Walter kramte den Betrag, der auch für zwei weitere Humpen Bier gereicht hätte, aus seinem Geldsäckchen. Schlecht gelaunt stand er wenig später hinter dem verschlossenen Tor auf der Straße. Ohne die spärliche Beleuchtung der Stadt wirkte die Nacht noch schwärzer, und er verfluchte sich, weil er zu geizig gewesen war, gleich ein Bett für die Nacht zu mieten. Jetzt hatte er die Torgebühr bezahlt und musste irgendwo in dieser finsteren Nacht noch ein halbwegs ebenes Plätzchen zum Schlafen finden. Kein Stern war am Himmel zu sehen, und Walter fluchte gleich noch einmal, weil er auch noch befürchten musste, nass zu werden.
Auch Paul, sein Pferd, wirkte nicht glücklich. Bei jedem Geräusch riss er an den Zügeln und tänzelte. Verunsichert durch das auffällige Verhalten des Tieres, fragte sich Walter, ob wohl irgendwelche Raubtiere in den Büschen lauerten. Bären gab es in diesem Teil des Landes nicht, die hielten sich eher in den Salzroder Bergen oder im Kaisergebirge auf. Und auch die Wölfe bevorzugten abgeschiedenere Gegenden, beruhigte Walter sich selbst. Er schob die Unruhe des Tieres auf seine eigenen angespannten Nerven. Die Abenteuer, die sich in letzter Zeit häuften, hatten einen so ernsten Beigeschmack, dass sie keinen rechten Spaß machen wollten.
Er zog Paul von der Straße und lief mit ihm ein Stück querfeldein zu einem Baum, den er in einem kurzen mondbeschienen Moment gesehen hatte. Wenn es tatsächlich regnen sollte, war er unter dem Baum zumindest ein wenig geschützt.
Die Decke, in die er sich kurze Zeit später einrollte, piekte und kratzte wegen der vielen Ästchen und Kletten, die sich bereits in ihr verfangen hatten. Zumindest dem Pferd schien es unter dem Baum zu gefallen. Es graste noch eine Weile und stand schließlich mit hängendem Kopf schlafend ganz dicht neben dem Stamm.
Walter lauschte noch lange den Geräuschen der Nacht, ehe er in einen unruhigen Schlaf sank.
Es war noch dunkel, als irgendwo bereits der erste Hahn krähte und Walter aus seinen wirren Träumen riss. Er versuchte, ihn zu ignorieren, und drehte sich auf die andere Seite, aber da war irgendein versteckter Stein oder eine Wurzel unter seiner Decke und die drückte ihn ganz fürchterlich. Er rutschte zur Seite, aber ehe er sich in seiner Decke wieder zurechtfand, krähte der Hahn bereits zum zweiten Mal. Unausgeruht und missmutig setzte sich Walter auf. Er tastete nach seiner Tasche und förderte ein Stück Brot zutage. Lustlos kaute er darauf herum, während sich der Himmel ganz langsam hell färbte. Als er wieder genug erkennen konnte, sattelte er sein Pferd und führte es zurück zur Straße. Paul schien gut geschlafen zu haben, denn er legte sogleich ein zügiges Tempo vor. Der frische Morgenwind in Walters Gesicht weckte schon nach kurzer Zeit auch seine Lebensgeister, und er trieb das Pferd noch ein wenig mehr an. Es war ziemlich bewölkt, und es dauerte lange, bis aus dem Dämmerlicht tatsächlich Tag wurde. Walter war bereits eine gute Stunde unterwegs, als er den Weg sah, der rechts von der Straße abzweigte. Er ließ das Pferd wieder in eine gemächlichere Gangart zurückfallen
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