Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
kleinen Esel musste einfach lächerlich aussehen. Er beschloss der Straße nach Norden zu folgen, bis er einen Feldweg nach Westen fand. Es fiel ihm schwer, sich auf seinen Weg zu konzentrieren. In dem bleichen Licht der Sterne hätte er beinahe den schmalen Pfad übersehen, wäre Lu nicht abgebogen. Die Dunkelheit schien dem Tier nichts auszumachen. Erschöpft dämmerte Philip weg und öffnete erst die Augen, als Lu erneut stehen blieb. Im trüben Licht des aufsteigenden Mondes konnte er eine dunkle Buschreihe erkennen, die als Windschutz für das dahinterliegende Feld angepflanzt worden war.
»Du hast was gefunden«, hauchte er und klopfte sanft den Hals des Esels, dann ließ er sich erleichtert vom Rücken des Tieres gleiten und schlief augenblicklich ein.
Seine Träume waren wirr und sein Schlaf unruhig. Immer wieder versuchte er sich von den Schleiern des Halbschlafs zu befreien, weil er fror. Aber die Mächte der Nacht hatten sich gegen ihn verschworen und entließen ihn nicht aus ihrer Umarmung. Hilflos taumelte er von Traum zu Traum, während ihm die kurzen Augenblicke dazwischen bestätigten, dass die wärmende Decke immer noch auf den Rücken des Esels gebunden war. Doch ehe er auch nur seine Hand danach ausstrecken konnte, wurde er wieder hinabgerissen in die Strudel der Illusion.
Irgendwann merkte er, dass der Himmel sich verfärbte und ein neuer Tag heraufzog. Er wusste am Rande seines Bewusstseins, dass er weiterziehen musste. Trotzdem gelang es ihm nicht, lange genug wach zu bleiben.
Etwas Feuchtes, Warmes berührte sein Gesicht und schubste ihn immer wieder an. Das konnten nur die Zwillinge sein. Die kleinen Plagegeister ließen ihn doch nie schlafen … Aber irgendetwas war anders als sonst. Die Vögel waren viel lauter, und der Atem, der ihm ins Gesicht wehte, hatte einen eigentümlichen Geruch. Philip riss mit aller Macht die Augen auf und sah direkt in die großen Nasenlöcher des Esels. Lu … Lu war sein Name. Philip versuchte sich aufzusetzen. Sein Bein war mittlerweile bis zum Knie hinauf angeschwollen, und die Haut war zum Zerreißen gespannt. Lu verstand wortlos seine Qual und legte sich neben ihn in die Furche. Philip griff nach seinem Trinkschlauch und nahm einen kräftigen Schluck Weidentee. Er schmeckte noch widerlicher, wenn er kalt war, trotzdem trank er weiter, dann knotete er den Sack auf und steckte Lu eine Mohrrübe zu.
»Wir müssen weiter, mein Freund«, krächzte Philip. »Wir sind hier nicht sicher.« Er lehnte sich über den Rücken des Esels und hob vorsichtig das Bein an. Erst als er halbwegs im Gleichgewicht saß, stand Lu auf und trottete vorsichtig los. An jeder Weggabelung blieb er stehen, bis Philip ihm sagte, wohin er weitergehen sollte. Trittsicher und vorsichtig stapfte er die schmalen Wege entlang, und wenn Philip im Halbschlaf runterzufallen drohte, blieb er stehen, bis er sich wieder richtig hingesetzt hatte, um dann unverdrossen weiterzulaufen. Etwa um die Mittagszeit kamen sie in ein kleines Wäldchen.
Sie hatten den Wald schon fast durchquert, da fiel Philip erst auf, dass es ein Eichenwald war.
»Halt an Lu, halt an. Hier können wir rasten. Hier sind wir sicher.« Zumindest vor dem Zauberer, fügte er in Gedanken hinzu. Er steuerte den Esel weg von dem Pfad, ins Dickicht unter die Bäume und entließ ihn dann auf eine nahe gelegene Wiese, in der Hoffnung, dass er wiederkam, wenn er ihn brauchte.
Philips Kopf brummte, sein Bein pochte, und er schaffte es kaum, aufrecht zu sitzen. Trotzdem musste er dringend den Verband erneuern und etwas essen, ehe er sich hinlegen durfte.
Nachdem er seinen Verband erneuert, gegessen und auch den Schlauch mit dem Weidentee geleert hatte, fühlte er sich etwas besser. Er war versucht, der Trägheit nachzugeben und im Schatten der Bäume ein wenig zu schlafen. Er war so schrecklich müde. Dann dachte er daran, dass er sich wahrscheinlich bald schon wieder schlechter fühlen würde und beschloss zu reiten, solange er noch auf den Weg achten konnte. Den nächsten Verbandwechsel durfte er nicht so lange hinauszögern, bis die Schmerzen unerträglich wurden. Er musste für sich selbst sorgen, wenn er lebendig bei Elomer in Saulegg ankommen wollte. Er schälte die Rinde von den Ästen der Eiche, die ihm am nächsten stand, und nahm sich vor, von der nächsten Weide Blätter zu ernten, damit er sich Tee zubereiten konnte.
Als er soweit fertig war, rief er Lu zu sich. Der Esel trottete heran, und Philip belohnte ihn mit
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