Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
dunklem Holz mit vollendet gedrechselten Beinen diente ihm als Arbeitsplatz. Etliche Schriftrollen lagen darauf, neben ihnen ein Tintenfässchen und eine Vorrichtung, die einen Vorrat an Gänsekielen beherbergte. An der einen Wand waren weitere Schriftrollen in einem Schrank aufbewahrt, aber auch jede Menge Bücher standen dort. Walter war überrascht, so eine Pracht in der Stube eines Dorfpredigers vorzufinden. Allein die Bücher mussten ein Vermögen wert sein. Der kunstvoll geschnitzte Schrank und die edlen Ledersessel hätten auch gut in das Zimmer eines Fürsten gepasst. Walter sah sich staunend um und traute sich kaum, in dem Sessel Platz zu nehmen, den Elomer ihm anbot. Er blieb auf der vorderen Kante sitzen, jederzeit bereit, aufzuspringen und den Platz zu räumen. Elomer setzte sich ihm gegenüber, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er schlug die Beine übereinander und zog seine knöchellange Kutte gerade. Dann griff er neben sich auf ein Tischchen und nahm sich eine Pfeife. Walter folgte jeder seiner Bewegungen und sah nun vollkommen perplex auf die unglaubliche Sammlung von Pfeifen, die auf dem Tischchen stand. Seine dringendste Frage wäre mehr als unhöflich gewesen, deshalb sagte er nichts.
»Was kann ich für Euch tun?«, fragte Elomer, als seine Pfeife brannte. Unter seinem stechenden Blick fühlte sich Walter unwohl.
»Ich habe eine Nachricht für Euch«, antwortete er leise. Sein Ton und sein Verhalten erinnerten an einen verstörten Schuljungen. Er straffte seine Schultern und sah Elomer in die Augen. »Und ich habe einige Sachen bei mir, von denen ein sterbender Mann wünschte, sie mögen zu Euch gelangen.« Zufrieden bemerkte Walter, dass seine Stimme nun wieder fest und sicher klang, aber Elomer schien wenig beeindruckt. Er musterte Walter wie eine Schlange ihre Beute.
»Wer schickt mir Nachricht?«, fragte er.
Walter verspürte Widerwillen. Er wollte mit diesem Mann nichts zu tun haben, am liebsten wäre er sofort wieder aufgebrochen, aber dann schalt er sich einen Narren. Er war tagelang unterwegs gewesen, um Theophils letzten Willen zu erfüllen. Er hatte sich in Gefahr gebracht und sich zudem jede Möglichkeit verbaut, wieder nach Hause reiten zu können.
»Theophil schickt mich«, antwortete er. »Bevor er starb, wünschte er, dass ich diese Taschen zu Euch bringe.« Elomer hob fragend eine Augenbraue. Walter bemerkte es und sagte:
»Er ist im Wald angeschossen worden und kam sterbend in die Burg.« Jetzt, da er zu erzählen begonnen hatte, sprudelten die Worte aus ihm heraus wie aus einem Springbrunnen.
»Natürlich ist er nicht selbst gekommen, er wurde gebracht wie ein Mehlsack auf dem Rücken eines Pferdes. Es war grauenvoll.« Weil Elomer keine Betroffenheit oder Anteilnahme zeigte, geschweige denn Trauer, fühlte sich Walter verpflichtet, Theophils Zustand genauer zu beschreiben. All das, was er empfunden hatte, wollte er gerne in den kalten Augen seines Gegenübers sehen, weil er glaubte, es Theophil schuldig zu sein.
»Gut, gut«, unterbrach ihn Elomer schließlich. »Was sollst du mir bringen?« Er musterte gierig den Sack. »Gib es mir«, sagte er streng. Walter fuhr erschrocken hoch, bückte sich und reichte den Sack dem Priester. Dieser nahm ihn und ging damit zum Schreibtisch. Mit einer einzigen Armbewegung fegte er die Schriftrollen vom Tisch. Walter sah verstört zu Boden. Die Gänsekiele lagen geknickt und abgebrochen kreuz und quer über und unter den teilweise eingerissenen Schriftrollen. Das Tintenfass war zum Glück nicht auch zu Boden gefallen, aber es stand gefährlich nahe an der Tischkante. So ging doch keiner mit seinen Schriften um.
Elomer breitete den Inhalt des Sackes auf dem Tisch aus und wühlte darin herum.
»War er alleine?«, fragte er. Walter brauchte einen Moment, bis er wusste, von wem Elomer sprach.
»Nein, ein Junge soll bei ihm gewesen sein. Soweit ich weiß, konnte er fliehen«, antwortete Walter. Er hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht, aber plötzlich war er sich sicher, dass Theophil die Sachen nur deshalb hierhergeschickt hatte, damit dieser Junge sie bekam. Wahrscheinlich waren dessen Sachen in der zweiten Tasche gewesen. Sein Blick fiel auf die Steinschleuder, die Elomer gerade in der Hand hielt und auf das Hemd legte. Natürlich, so musste es sein! Wenn der Junge hierherkam, würde der Priester ihm die Sachen geben. Und wenn er es nicht tat, so war es bestimmt nicht Walters Angelegenheit, dafür zu sorgen. Er hatte getan,
Weitere Kostenlose Bücher