Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
und folgte dem Weg, der sich an einem Bachlauf entlang zwischen die Hügel schlängelte. Am späten Vormittag gönnte er sich und dem Pferd eine kurze Pause. Er führte es hinunter zum Bach und ließ es ausgiebig trinken. Er wusch sich das Gesicht und die Hände und legte sich rücklings in die grüne Wiese. Paul graste und schnaubte dabei zufrieden. Die Geräusche lullten Walter ein. Erst als die ersten Tropfen sein Gesicht benetzten, schreckte er hoch. Paul hatte sich ein gutes Stück von ihm entfernt, und ehe Walter bei ihm war, regnete es bereits in Strömen. Leise schimpfend zog er sich den Hut ins Gesicht und wickelte sich in seinen Mantel, dann stieg er auf das Pferd, und sie folgten mit hängendem Kopf der verschlungenen Straße.
Auf all seinen bisherigen Reisen hatte Walter es vermieden, alleine unterwegs zu sein, und wenn es mal wirklich nicht anders ging, dann war er spätestens am Abend wieder in einem gut besuchten Gasthof eingekehrt. Aber nun hatte er sich schon dabei ertappt, wie er Selbstgespräche führte oder an irgendetwas dachte, das er unbedingt Hartmut erzählen wollte. Sogar in dem provisorischen Heerlager unterhalb der Burg wäre er jetzt lieber gewesen als hier auf dieser verregneten Landstraße.
Während der Regen langsam durch seine Kleidung sickerte und seine Gedanken immer düsterer wurden, näherte er sich einer Ortschaft. Erst war nur der Kirchturm zwischen zwei kleinen Hügeln zu sehen, aber der Hut, den Walter sich bis fast in die Augen gezogen hatte, verhinderte die Sicht auf ihn. Als er um den Hügel herumritt, tauchten die ersten Häuser auf. Das musste Saulegg sein. Endlich!
Es war ein kleiner Ort, dessen winzige Häuser sich so dicht um die Kirche scharten, als würden sie dort Zuflucht suchen. Die Dächer hingen so weit nach unten, dass ein Mann kaum aufrecht unter ihrem Vorsprung hätte stehen können. Walter kam sich auf seinem Pferd übergroß vor, darum stieg er ab und führte es am Zügel, während er suchend nach links und rechts schaute. Die Straßen waren menschenleer. Er dachte an seinen Bekannten aus dem Markt Krontaler Gasthof. In welchem Haus konnte ein so großer Mann wie er gewohnt haben? Die Vorstellung, wie sich dieser Hüne durch eine der winzigen Türen klemmte, erheiterte ihn.
Als er vor der Kirche stand und immer noch keine Menschenseele zu Gesicht bekommen hatte, beschloss er, im Haus des Priesters anzuklopfen.
Er klopfte einmal. Nichts geschah.
Er klopfte erneut. Jetzt hörte er trippelnde Schritte hinter der Tür, und dann öffnete sie sich mit einem schauerlichen Quietschen. Vor Walter stand ein altes Mütterchen, dürr und gebeugt. Sie trug ein schwarzes Kopftuch und ein schwarzes Kleid, vor das sie eine ehemals weiße Schürze gebunden hatte. Dicke Adern zeichneten sich auf ihren bebenden Händen ab. Sie knetete ihre krummen Finger, damit sie nicht noch stärker zitterten. Dabei musterte sie Walter misstrauisch aus kleinen dunklen Augen.
»Ja?«
Walter setzte ein gewinnendes Lächeln auf.
»Gott sei mit Euch. Ich suche Elomer, wenn Ihr mir helfen könntet.« Irgendetwas an ihrem Blick veränderte sich, und sie fasste mit ihrer linken Hand fester nach der rechten.
»Hochwürden!«, rief sie, ohne den Blick von Walter zu wenden, »da steht ein junger Bursche und fragt nach Elomer.« Hinter ihr in dem dunklen Flur kam Bewegung auf. Ein Mann mit weißen Haaren und einem sehnigen, schlanken Körper trat aus dem Dunkel heraus. Augenblicklich huschte das Mütterchen in einen anderen Raum, von dem Walter vermutete, dass es die Küche war, denn kaum dass sie gegangen war, erklang das Geklapper von Töpfen. Der Mann trat vor ihn und musterte ihn aus ähnlich kleinen und dunklen Augen wie die Alte vorhin.
»Was wollt Ihr?« Seine Stimme hatte einen harten Beiklang und einen undefinierbaren Akzent.
»Ich suche Elomer«, wiederholte Walter, dem wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben die Worte fehlten. Der strenge Blick des Priesters verunsicherte ihn.
»Wer seid Ihr?«
»Das werde ich Elomer sagen«, antwortete Walter mit dem letzten Rest an Selbstbewusstsein, der ihm noch geblieben war.
Der Priester entblößte eine Reihe gelber Zähne, gleichzeitig trat er einen halben Schritt zur Seite.
»Tritt ein, mein Sohn, ich bin Elomer.«
Verstört nahm Walter die Hand, die der andere ihm bot.
»Walter Vogelsang«, murmelte er.
Nach dem düsteren Flur erstrahlte das Arbeitszimmer des Priesters in unglaublicher Helligkeit. Ein schöner Tisch aus
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