Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
wollte, merkte er, dass er gefesselt war. Ein dicker Strick war fest um seine Handgelenke gewickelt, ein weiterer um seine Knöchel. Mühsam kramte er nach Erinnerungen, die ihm erklärten, wie er in diese missliche Lage gekommen war.
Erst fiel ihm nur ein, dass er Theophils Sachen aus dem Stall mitgenommen hatte. Hatte man ihn dabei erwischt, ihm eins über den Schädel gezogen und ins Burgverlies gesperrt? Zumindest seine Kopfschmerzen würde dies erklären.
Aber dann kamen auch andere Erinnerungen. Die Flucht aus der Burg, seine Reise, die Kneipe in Markt Krontal, der Regen … Elomer.
Er war in eine Falle geritten. Verzweifelt schloss Walter die Augen. Verraten und verkauft.
Ganz langsam begann sein Gehirn wieder richtig zu arbeiten, und er dachte an die letzten Stunden, bevor er in dieses dunkle Zimmer gesperrt wurde. Wer auch immer Elomer sein mochte, dieser Mann war es bestimmt nicht.
Elomer war ein Freund von Theophil gewesen, und Theophil liebte das Wissen, verehrte alte Schriften und hätte es bestimmt missbilligt, wenn jemand achtlos damit umging. Aber dieser Mann hatte die Schriftrollen einfach vom Tisch gefegt! Das war der Punkt gewesen, an dem Walter spätestens die Flucht hätte ergreifen müssen.
Er dachte an die ganzen anderen Ungereimtheiten und ärgerte sich über sich selbst, weil er so ein Trottel war.
Jetzt war es zu spät. Suchend sah er sich im Zimmer um. Knapp unter der Decke war eine kleine Fensteröffnung, aber eine dicke Eisenstange war mittendrin eingemauert. Die Tür, er hüpfte zu ihr hinüber, war aus stabilem Buchenholz, und auch das Schloss wirkte massiv. Trotzdem war sie die einzige Schwachstelle in dem Raum. Walter hüpfte an den Wänden entlang in der Hoffnung irgendetwas zu finden, mit dem er seine Fesseln durchtrennen konnte. Wenn seine Arme und Beine frei waren, konnte er einen Fluchtversuch wagen, sobald die Tür geöffnet wurde. Plötzlich knirschte der Schlüssel im Schloss, und die Tür ging auf. Erschrocken, aber kampfbereit drehte sich Walter um.
»Ich hörte, dass du wach bist«, sagte der Priester. Sein Ton war freundlich, als würde er einen Gast begrüßen, aber aus seinen Augen sprach Hohn.
»Du hast bestimmt Hunger, aber vorher sollten wir ein wenig miteinander plaudern.«
»Lasst mich frei, vielleicht rede ich dann mit Euch«, fauchte Walter.
»Das geht leider nicht, bedaure.«
Walter wandte sich ab. Er kochte vor Zorn, und sein Herz schlug wild. Am liebsten hätte er sich auf den Priester gestürzt und ihn erwürgt, aber mit seinen zusammengebundenen Beinen hätte er auf ihn zuhoppeln müssen wie ein Hase, und das war einfach lächerlich.
»Ich habe alles gesagt, was ich zu sagen hatte«, sagte er.
»Das glaube ich kaum, aber ich sehe, du bist noch nicht bereit zum Reden. Nun gut, dein Frühstück wird solange auf dich warten. Meiner Erfahrung nach trocknet Brot ziemlich schnell, ich würde also an deiner Stelle nicht zu lange warten, sonst beißt du dir die Zähne daran aus.«
Nach diesen Worten ging der Priester zur Tür hinaus und sperrte hinter sich ab. Walter ließ sich auf den Strohsack plumpsen. Er hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass sie ihm jetzt alle weh taten. Er wünschte sich, er hätte diesem Ungeheuer die Kehle damit durchgebissen.
Eine ganze Weile saß er nur da und starrte auf die Tür. Sein Kopf war leer, und er fühlte sich hilflos, ausgebrannt und müde. Langsam meldete sich allerdings sein Magen. Hunger war ein grausamer Gefährte, vor allem, wenn man sonst keinen hatte. Seit seinem dürftigen Frühstück auf dem Feld hinter Markt Krontal hatte er nichts mehr gegessen, abgesehen von dieser grässlichen, verhängnisvollen Suppe.
Gab es eine Möglichkeit, doch noch an die Scheibe Brot zu kommen? Allein für diesen Gedanken strafte er sich mit Verachtung. Kaum knurrt der Magen, werde ich schwach, dachte er unzufrieden, aber dann kam ihm ein weiterer Gedanke. Was wusste dieser falsche Elomer? Was hatte er selbst ihm schon erzählt? Und vor allem, was wollte er hören? In Walters Kopf arbeitete es fieberhaft. Er war ein begnadeter Geschichtenerzähler, er kannte unzählige Geschichten und hatte selbst auch schon die eine oder andere erfunden. Er hatte sein Handwerk von der Pieke auf gelernt. Dieser Priester würde sich noch wundern. Aber erst mal würde er noch eine Weile ausharren müssen, um richtig glaubwürdig zu wirken. Um Kraft zu sparen und den Hunger zu vergessen, versuchte er zu schlafen.
Als er aufwachte, war
Weitere Kostenlose Bücher