Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
ist. Komm, wir …«
Sein Vater packte ihn am Arm und hinderte ihn daran, sofort loszustürmen.
»Warte! Warte.« Abermals holte er tief Luft. »Ich habe sie im Wald gefunden. Sie hat dort alleine ihr Kind geboren, wahrscheinlich heute Nacht …«
»Ein Grund mehr, Mutter zu holen. Die kennt sich doch mit sowas aus!«, rief Philip nun selbst ganz aufgeregt, weil sein Vater sich so anstellte. Falls diese Frau ihr Kind heimlich zur Welt gebracht hatte, konnte diese Geburt für sie doch immer noch geheim bleiben. Er setzte schon an, seinem Vater genau das zu erklären, aber der schob ihn zurück zu dem Wagen. »Schau sie dir genau an Philip, sie ist k e i n Mensch«, flüsterte er.
Mit offenem Mund sah Philip seinen Vater an. Was sollte das heißen, kein Mensch ? Er betrachtete das bleiche Gesicht genau. Das unbekannte Wesen hatte hohe Wangenknochen und eine gerade Nase. Selbst in seinem Zustand wirkte es stolz und anmutig. Philip konnte es nicht beschreiben, aber da war etwas an dieser Frau, das wirklich fremd wirkte. Ein wenig erinnerte sie ihn an die Gestalt auf dem Deckel von Theophils Buch.
Wie konnte das sein? Das würde ja bedeuten, dass es im Wald tatsächlich Wesen gab, die keine Menschen waren? Er streifte mit der Hand vorsichtig ihr Gesicht. Die Haut war trocken und heiß, trotzdem waren ihre Wangen nicht gerötet. Er strich die Haare zurück und erhaschte einen Blick auf ihre Ohren. Sie waren klein und vollkommen, doch am oberen Ende liefen sie spitz zu. Kein Mädchen, das er kannte, war auch nur annähernd so schön. Erschrocken zog Philip die Hand zurück und errötete. Sein Vater bemerkte es gar nicht.
Kein Mensch, dachte Philip wieder. Sein Kopf schwirrte. Es kam ihm vor, als hätte man ihn aus seinem Leben gerissen und in eine seiner Geschichten getaucht. Das alles konnte überhaupt nicht wahr sein. Doch je länger er das Wesen betrachtete, desto offensichtlicher wurden die Unterschiede. Ihr Haar war glänzend schön, in einer Farbe wie flüssiger Honig, durch den die Sonne schien. Ihre Haut war makellos und elfenbeinweiß. Er wünschte sich, ihre Augen zu sehen, doch sie waren unter den Lidern geheimnisvoll verborgen und von einem Halbmond nussbrauner Wimpern umkränzt. Sein Herz pochte wild gegen die Brust. Es gibt wirklich Elben. Es ist wahr, dachte er. Es ist wahr, es ist wahr! Doch was von all den Geschichten stimmte wirklich? Und was sollten sie jetzt mit ihr anfangen?
»Sag mal«, überlegte Feodor laut und brachte Philip in die Wirklichkeit zurück. »Elvira ist doch Matthias Frau?« Er massierte sich mit beiden Händen die Schläfen.
»Ja«, brummte Philip geistesabwesend, während er immer noch auf den Wagen starrte und zu begreifen versuchte, was er hier gerade erlebte.
»Er wohnt gleich hinter dem Waldtor auf der anderen Straßenseite. Du solltest deine Mutter doch holen.« Feodor sah Philip an, der mit roten Wangen unschlüssig da stand. »Jetzt gleich! Lauf!«
Auf dem Weg zur Tür fiel Philip plötzlich Ruben ein.
»Wo ist Ruben?«
»Dem hab ich gesagt, dass ich krank bin, und hab ihn heimgeschickt. Lauf jetzt.«
Philip stürmte die Einfahrt hoch, rannte die Hauptstraße entlang am Waldtor vorbei und stand schließlich vor dem Haus, in dem seine Mutter gerade bei der Geburt half.
Er klopfte. Als niemand öffnete, klopfte er noch einmal und drückte dann die Türklinke hinunter. Die Tür sprang auf.
»Hallo!«, rief er, als ein hagerer Mann aus dem Zimmer trat.
»Ja?«
»Ich suche meine Mutter«, sagte Philip.
»Ach, du bist das!« Jetzt erkannte der Mann ihn auch. »Sie ist bei meiner Frau.«
In dem Moment erklang ein markerschütternder Schrei aus dem Nebenzimmer, der Mann erbleichte und stürmte durch die Tür, aus der der Schrei gekommen war.
Gleich darauf wurde er rückwärts aus dem Zimmer geschoben.
»Entspann dich, Matthias«, befahl die Hebamme. »Sonst jag ich dich aus dem Haus.«
»Aber … Aber sie hat Schm…«
»Unter Schmerzen bringen alle Frauen ihre Kinder zur Welt. Elvira ist eine starke und gesunde Frau, das …« Ihr Blick fiel auf Philip, und sie verstummte. Einen kurzen Augenblick sahen sich Mutter und Sohn schweigend an.
»Vater braucht dich in der Schmiede«, sagte Philip endlich.
Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht.
»Braucht er einen Arzt?«
»Nein, er braucht dich«, antwortete er.
»Du kannst jetzt nicht gehen, Josephine. Was wird aus meiner Frau?« Matthias sprang vor die Tür, um ihr den Ausgang zu versperren. Sie legte ihm die Hände
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