Neobooks - Transalp 7
Also, fast eingeschlafen. Und dann: platsch.«
»Gut, dass es dir genauso geht. Mich nervt das seit Stunden.« Plank richtete sich auf. Unter ihm knarzte die Stalltür. »Psst!«, zischte er zu Gärtner hinüber.
Waren das die jungen Nazibengel? Hatten sie sie gefunden? Plank erinnerte sich wehmütig an seine Dienstwaffe. Er drehte sich langsam wieder auf den Bauch und versuchte durch eine der breiten Ritzen des Bodens in den Stall zu schauen. Da unten war es pechschwarz. Und tatsächlich: Es musste ein Mensch dort sein. Die Tiere wurden unruhig, sie standen auf und bewegten sich, was man am anschwellenden Kuh- und Schafglockenkonzert deutlich hören konnte. Plank presste sein linkes Auge beinahe durch die Ritze. Dann wurde geblendet. Jemand hatte das Licht im Stall angeschaltet. Plank zuckte zurück, rieb sich das Auge und schaute erneut nach unten. Die Sennerin stand zwischen ihren Kühen. Es war Zeit zum Melken.
»Lass uns frühstücken und dann abhauen. Wir haben heute ein paar Kilometer vor uns. Ich habe gestern Abend noch in der Karte nachgeschaut. Am besten, wir steigen ab nach Dun und Pfunders und nehmen von da ein Taxi nach Kniepass. Auch wenns unsportlich ist: Ehrlich gesagt tun mir die Knie weh. Die Kni-e, wenn du willst. Und der Spindler ist da sicher gestern bereits angekommen. Wir müssen Strecke machen!« Plank rollte sich von der Matratze und zog Berghose und Stiefel an.
Nachdem die Sennerin mit dem Melken fertig war, tischte sie ein opulentes Frühstück aus selbstgemachtem Käse, Brot und Speck auf. Auch die fette frische Milch versorgte die Wanderer mit einer Extraportion Energie. Bereits um 7 Uhr 30 erreichten sie Dun, bestellten sich per Mobiltelefon, das hier – eine Ausnahme in den Dolomiten – Verbindung hatte, ein Taxi nach Pfunders und kamen um kurz nach acht in Kniepass an.
»Ich tippe auf die Kapelle«, meinte Gärtner, als sie die Rucksäcke aus dem Gepäckabteil des Fiats hoben.
»Wenn du meinst …«
Als sie sich der kleinen Kirche näherten, die der heiligen Margarethe geweiht war, weil der Sage nach in einer Höhle in der Nähe ein Bildnis der Heiligen gefunden wurde, obwohl niemand zuvor die Höhle betreten hatte, machte sich gerade eine alte Frau an der Türe zu schaffen. Plank beschleunigte seinen Schritt, erreichte als Erster das Portal und sprach die Frau an: »Können wir Ihnen helfen?«
Die alte Frau murmelte nur etwas wie »Schloss klemmt« und ließ sich nicht von ihrer Tätigkeit abbringen. Erst als sie merkte, dass der alte verrostete Schlüssel, den sie in der knöchrigen Hand hielt, wirklich nicht in das Schlüsselloch passen wollte, sagte sie in der unnachahmlichen Mischung aus Südtirolerisch und Ladinisch, die in der Gegend gesprochen wurde: »Ist noch nie geschehen.« Endlich trat sie zur Seite und ließ Plank mit dem Auge durch das Loch luren.
»Da hängt was drin«, konstatierte er. Er zog aus seiner Hosentasche das Schweizer Offiziersmesser, das er sich in Mayerhofen beim Bergausstatter zugelegt hatte, und fummelte die Pinzette aus dessen rotem Griff. Er fuhrwerkte im Schloss herum und zog ein Stück Papier heraus. »Da, hammas ja schon!«
Die alte Frau versuchte erneut ihr Glück, und diesmal drang der Schlüssel weit genug in das Schloss ein, dass sein Bart den Mechanismus bedienen konnte. Die Frau öffnete die Tür, nickte kurz und verschwand in der Kirche. Plank entfaltete den Zettel und sagte leise vor sich hin: »Tolles Versteck, Spindler, muss ich sagen.«
Die drei Augenpaare, die die Szene aus dem Wald beobachteten, hätten zu gerne einen Blick auf den Zettel geworfen. Doch sie wussten, dass die Segnungen der modernen Nachrichtentechnik sie auch an das nächste Ziel führen würden.
Auf einen Blick – die Rätselfragen aus Buch 7:
Durch welche Berghütte der Zillertaler Alpen verläuft die Landesgrenze zwischen Österreich und Italien?
Auf welcher Hütte ist die nächste Station?
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Über Marc Ritter / CUS
Marc Ritter, geboren 1967 in München, wuchs in Garmisch-Partenkirchen auf. Während des Zivildienstes schrieb er dort die Lokalzeitung mit Berichten aus Politik, Sport und dem Nachtleben voll. Zum Studium der Germanistik ging er nach München zurück. Er arbeitete als Standfotograf für das Fernsehen, als Tankwart, Dachdecker, Hilfsskilehrer und Bereiter. Ohne Auftrag und Genehmigung gründete er 1995 den ersten Online-Auftritt des Süddeutschen Verlages. In Folge war er als Manager für große amerikanische Online-Medien tätig.
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