Neonazis in Nadelstreifen
bei der 1 .-Mai-Demonstration an der Elbe mitmarschierte, sich nicht von den Ausschreitungen in Hamburg distanziert. Die Mehrheit der Delegierten wählte Rieger, ganz wie Udo Voigt es wünschte, in das repräsentative Bundesamt. In Sorge um das bemüht bürgerliche Image sprach auf dem Parteitag Andreas Molau offen aus, was manch anderer Parteikader denkt: »Die Wahl von Herrn Rieger zum Stellvertreter ist eine politische Katastrophe«.
Worte, die sich Jürgen Rieger sicher merken wird. Gilt er doch als nachtragend. Im Hegelsaal brach wegen Riegers unkalkulierbarem Temperament auch gleich ein Streit mit einem alten Widersacher offen aus. Als Anwalt der Partei hatte Rieger versucht, das Finanzgebaren des ehemaligen Bundesschatzmeister Erwin Kemna nachzuvollziehen. Hintergrund: Die Staatsanwaltschaft Münster wirft Voigts langjährigem Freund vor, rund 741 000 Euro aus der Parteikasse in seine Firma Wichmann Küchen GmbH abgezweigt zu haben. Vor den Parteitagsgästen soll Jürgen Rieger Aufklärung geben. Bei seinem Bericht bleibt er allerdings vage. Die Sachlage würde aber mehr gegen Kemna als für ihn sprechen, räumt er kritisch ein. Das sind für den NPD -Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, zu wenige Informationen. »Ein Skandal erster Ordnung«, kommentierte Pastörs schon vor dem Parteitag und fügte mahnend in Richtung seines Bundesvorsitzenden hinzu: »Wenn bei mir Fraktionsgelder wegkommen würden, dann müsste ich zurücktreten«. Auf dem Parteitag fragte der ehemalige Juwelier nach, wie es möglich sein konnte, dass »Hunderttausende von Euro ohne Gegenkontrolle hin und her geschoben werden konnten?« Ein kaum verhohlener Angriff auf Udo Voigt, der sich voll hinter seinen Schatzmeister Kemna gestellt hat. Doch nicht Voigt, sondern Rieger geriet daraufhin in Rage, zu tief sind die Zwistigkeiten mit Pastörs. Denn der hätte schon beim letzten Bundesparteitag gegen ihn intrigiert. Rieger unterstellte seinem ebenso ehrgeizigen Kontrahenten lautstark, dieser habe 2006 seine Wahl zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden sabotiert und sei außerdem ein Populist. Der Gescholtene konterte brüllend: »Sie lügen, Herr Rieger!«. Erst als der Tagungspräsident Eckart Bräuniger die Kontrahenten ermahnte, »denkt bitte an die Presse im Saal«, und Kameraden beruhigend auf sie einredeten, ebbte der laute Streit quer durch den Saal allmählich ab.
Die Enttäuschung, dass in der Parteiführung keiner Verantwortung übernimmt, wirkt nach. Mit der Verurteilung von Erwin Kemna am 12 . September 2008 durch das Landgericht Münster erhöht sich der Druck auf die Bundesspitze. Der NPD -Generalsekretär Peter Marx erklärte in der Verhandlungspause: »Er hat unser Vertrauen missbraucht.« Dass die NPD -Führung Mitverantwortung trage, wies er zurück: Es sei nicht Aufgabe des Bundesvorsitzenden Udo Voigt, »jede Kontobewegung zu überprüfen«. Richter Erwin Rocznik sieht indes in seiner Urteilsbegründung einen Mangel an Kontrolle, die eine Mitverantwortlichkeit mit sich bringt. In der gesamten Szene sehen es viele Kameraden auch nicht anders. Udo Pastörs schimpfte über die Parteiführung, die »bei den kleinen Mitgliedern den letzten Euro rausholt und einen Gauner wie Kemna unglaubliche Summen veruntreuen« ließ. Nach einer ersten Erklärung musste Voigt wegen der anhaltenden Kritik ein weiteres Statement folgen lassen. »Ich räume vorbehaltlos ein: Erwin Kemna genoss mein Vertrauen«, schrieb er und führte auch aus: »Selbstkritisch müssen wir einräumen, daß Kontrollmechanismen versagt haben.« Personelle Konsequenzen will der Bundesvorsitzende jedoch nicht ziehen. Ganz anders Andreas Molau. Der erst in Bamberg in den Bundesvorstand gewählte Molau erklärte im Oktober 2008 wegen der Verurteilung Kemnas: »Ich habe meine Ämter in der NPD auf Bundesebene niedergelegt«. Er könne die Führung der Partei »nicht mehr voll unterstützen«, da sie keine Verantwortung dafür übernehme, dass ihr lange geschätzter Schatzmeister ohne jede Kontrolle das Parteivermögen verwaltete. »Das«, so Molau, »kann ich nach meinen moralischen Vorstellungen nicht mittragen«. Gegenüber der »tageszeitung« beteuerte der heutige NPD -Landesvize in Niedersachsen und Fraktionspressesprecher in Mecklenburg-Vorpommern: »Mit anderen Auseinandersetzungen hat das nichts zu tun.« Die Hausmacht des Bundesvorsitzenden ist offensichtlich groß, trotz der kriminellen Machenschaften des Ex-Bundesschatzmeisters – doch
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