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Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
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sie scheint zu bröckeln.
    Kein Landesparteifürst, kein Parteigrande griff Udo Voigt offen auf dem Parteitag an. Viel diskutiert wurde im Hegelsaal nach den verschiedenen Referaten und Rechenschaftsberichten auch nicht. Führen und machen statt hinterfragen und austauschen war wieder einmal die Devise. Ganz dem extrem-rechten Demokratieverständnis folgend. Die NPD betont in ihrer 2006 erschienenen Broschüre »Argumente für Kandidaten & Funktionsträger« den antiliberalen Charakter der Partei und berufen sich dabei auf den 1985 verstorbenen Carl Schmitt. Der Staatsrechtler, der in der Weimarer Republik zu dem rechten Spektrum der »Konservativen Revolution« gehörte, hatte 1923 Jahre in »Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus« geschrieben: »Jede wirkliche Demokratie beruht darauf, dass nicht nur Gleiches gleich, sondern, mit unvermeidlicher Konsequenz, das Nichtgleiche nicht gleich behandelt wird. Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweites – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen (…) Die politische Kraft einer Demokratie zeigt sich darin, dass sie das Fremde und Ungleiche, das die Homogenität Bedrohende zu besiegen oder fernzuhalten hat.«
    Über ihr wahres Demokratieverständnis spricht Hartmut Krien beim Rechenschaftsbericht zur Arbeit der »Kommunalpolitischen Vereinigung der NPD « ( KPV ) kaum. Wenig sagt der KPV -Vorsitzende vor den Parteitagsgästen auch zu ihrem Parlamentsverständnis. Seit 2003 bemüht sich die KPV , ihre Kandidaten und Mandatsträger im »Umgang mit der Kommunalverfassung, der jeweiligen Geschäftsordnungen« und auch für das »Auftreten vor dem Auditorium und vor der Presse« zu schulen. In der »Deutsche Stimme« erklärte im Februar 2004 der damalige KPV -Chef Ralf Haschke, »dass eine politische Führungsrolle in Deutschland nur dann erreicht werden kann, wenn Nationaldemokraten in den Städten und Gemeinden eine feste Größe darstellen. Nach dem Motto: ›Zuerst die Kommunen, dann die Landtage und dann der Bundestag‹«. Udo Voigt wird denn auch nicht müde, die Partei immer wieder dazu anzuhalten: »Bürgernähe zeigen, vor Ort siegen – Auf kommunaler Ebene kann die Ausgrenzung unterlaufen werden«. In Bamberg erinnerte Hartmut Krien, der im Dresdener Stadtrat sitzt, die Parteitagsteilnehmer noch daran, wie notwendig die Vernetzung und der Austausch für die Mandatsträger ist.
    Keine drei Wochen später frohlockte Krien: »Seit dem 8 . Juni 2008 ist in Sachsen nichts mehr, wie es war«. Bei der Kommunalwahl zog die NPD in alle Kreistage ein. Die Neonazis vervierfachten ihr Ergebnis auf 5 , 1 Prozent. Vier Jahre zuvor hatten sie nur 1 , 3 Prozent der Stimmen erhalten. In Reinhardtsdorf-Schöna erzielten die NPD -Kandidaten ihr bestes Ergebnis: 25 , 2 Prozent. Jeder Vierte hat sie in der 1600 -Seelen-Gemeide gewählt.
    Der Klempnermeister Michael Jacobi aus Reinhardtsdorf-Schöna ist eines der Mitglieder, auf die die Partei baut, um Stimmen zu gewinnen. Vor Ort ist er fest verankert – und auch beliebt. »Das ist der einzige Mann, der hier gewählt wird«, heißt es. Im Gemeindeteil Kleingießhübel kennt den NPD -Kandidaten jeder. Zu DDR -Zeiten genoss der als Waffennarr bekannte Jacobi bereits großes Ansehen. 1999 zog er dann für die »Wählervereinigung 94 « in den Gemeinderat. Zumindest einer seiner Söhne, weiß der »taz«-Autor Michael Bartsch, gehörte zu den Skinheads Sächsische Schweiz. 2001 verbot das sächsische Innenministerium die paramilitärische Schlägertruppe.
    Frust, besonders über die Bundespolitik, meint Bürgermeister Olaf Ehrlich, bescherte der NPD den hohen Erfolg. Er geht aber zudem von einer starken Stammwählerschaft aus. »Zehn bis zwölf Prozent«, schätzt Olaf Ehrlich gegenüber Michael Bratsch verstimmt: »Die NPD stellt sich hier immer als der große Kümmerer dar – als ob ich nicht ansprechbar wäre.«
    Im September 2007 erklärte schon Jürgen Gansel: »In Mitteldeutschland findet eine geräuschlose völkische Graswurzelrevolution statt. Mit einem moderaten Ton, zivilem Auftreten und alltagsnahen Themen gelingt es Nationalisten vielerorts, zum integralen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens zu werden.« Mit Plakatlosungen wie »Arbeit, Familie, Heimat« würde sie den »enttäuschten Durchschnittsbürger« erreichen und mit dem Slogan »Kampf gegen Zuwanderung, EU -Fremdbestimmung und Globalisierung (…) zunehmend den Nerv der Menschen«

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