Neonazis in Nadelstreifen
Molau, als er eine Art Apartheid in der Bildungspolitik fordert. Die Schulklassen müssten, so der ehemalige Waldorflehrer, in ausländische und deutsche Kinder getrennt werden. »Wir sind einfach nicht mehr bereit, uns bevormunden zu lassen«, schimpft Molau weiter: »Auch und besonders nicht vom Zentralrat der Juden in Deutschland.« Völlig alten Positionierungen anhängend, droht er der Vorsitzenden des Zentralrats der Juden: »Ihre Religionsgemeinschaft, Frau Knobloch, ist hierzulande ohnehin überprivilegiert. Ich versichere Ihnen: Wenn die NPD die Richtlinien der Politik in Deutschland bestimmt, dann können Sie diese Sonderbehandlung vergessen.« Anhaltender Applaus – auch und gerade von jenen radikaleren Aktivisten aus dem Netzwerk der »Freien Kameradschaften«.
Im Vorfeld der Wahlen hatten sich deren Anführer und NPD -Funktionäre miteinander arrangiert. Ein Vertrag war ausgehandelt worden. Eine »enge Zusammenarbeit« verkündet denn auch im HCC Dieter Riefling, einer jener Kader, die im Hintergrund das Netzwerk der »Freien Kameradschaften« lenken. Bereits vor seiner Rede hatte der später zum NPD -Landtagskandidat gekürte Riefling erklärt: »Wir setzen hier ein Signal, dass es möglich ist, dass Partei und Freie Kräfte gleichberechtigt in den Wahlkampf starten.« Der vormals wegen Körperverletzung Verurteilte fügte hinzu: »Andreas Molau ist seit langem der erste ehrliche Vertreter der NPD .«
Beide Seiten verheimlichen nicht, dass das Bündnis zwischen dem offen nationalsozialistisch orientierten Netzwerk und der bemüht moderat erscheinenden Partei spannungsgeladen ist. In der Bundesführung fürchten einige um das angestrebte neue Image. Als Glatzenpartei wollen sie nicht wahrgenommen werden. Ohne Hilfe der Kameradschaften jedoch, die seit Mitte der 90 er Jahre Kader von verbotenen neonazistischen Kleinstparteien und Vereinen aufgebaut hatten, kann die Partei kaum Wahlkämpfe an der Basis bestreiten. Schon in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern führten NPD und »Freie Kameradschaften« die Wahlkämpfe gemeinsam. Trotz manch gegenseitiger Skepsis sind sich die Anführer beider Strukturen der Vorteile eines gemeinsamen Vorgehens bewusst. Die Kameradschaften, die sich in Abgrenzung zu extrem rechten Parteien »Freie Kräfte« oder »Freie Nationalisten« nennen, erreichten in den vergangenen Jahren durch ihr Organisationsprofil und ihre politischen Positionen vor allem Jugendliche und junge Erwachsene – nicht bloß bei Wahlen. In dieser Szene finden ständig Aktionen, Konzerte und Partys statt. Das Politische fällt mit dem Privaten zusammen: Man kämpft und man feiert gemeinsam. Ihre Führungspersonen sind meist wesentlich jünger als Parteifunktionäre, ihr Aktionismus vor Ort oft größer, ihre Parolen radikaler.
»Es zählt, was eint!«, ist das immer wiederkehrende Credo Udo Voigts. In die gleiche Richtung zielte Molau, als er am 18 . Januar 2008 in der DVU -nahen »National-Zeitung« mahnte: »Wir müssen als Nationale aber lernen, eine Mannschaft zu sein. Viele nationale Aktivisten sind freilich ungeduldig. Jeder meint, es besser zu können und vor allem schneller.« Beschwichtigend fügte er aber hinzu: »Jeder hat eine Position, aber alle spielen auf ein Tor.«
In Niedersachsen gelang es besonders Andreas Molau, der bislang als Publizist im neu-rechten Spektrum vor allem den »Kampf um die Köpfe« führte, Mitglieder der »Freien Kameradschaften«, die sich zuvor auf den »Kampf um die Straße« konzentriert hatten, einzubinden. Im Vorfeld der Wahlen traf er sich mehrfach mit wichtigen Drahtziehern der »Freien Kräfte« zu konspirativen »Stammtischgesprächen« im Raum Lüneburg. Die Zusammenarbeit mit diesen Parteikritikern kam nicht nur wegen Molaus klaren Aussagen zustande, sondern auch, weil er im Wahlkampf mit anpackte. »Der klebte nachts selbst Plakate«, schrieb ein Anhänger bewundernd in einem Szeneforum. »Anpacken und nicht bloß schnacken«, das gefällt in diesen Kreisen.
Im Hannoverschen Congress Centrum hat die Veranstaltungsregie sich für den Wahlauftakt auch eine Idee der Kameradschaften zunutze gemacht. Politische Reden von Partei- und Kameradschaftsgranden begeistern selten Jugendliche, deshalb werden die politischen Botschaften in Hannover zusammen mit musikalischen Beiträgen angeboten. Seit längerem sorgen Bands und Liedermacher bei Parteievents für neue Töne. Für den Samstag konnte die Partei die in der Szene beliebten »nationalen
Weitere Kostenlose Bücher