Neonazis in Nadelstreifen
Vereins- und Alltagsleben der Gemeinden bürgernah und jugendgemäß zu erscheinen. Gezielt wird vor Ort die Zusammenarbeit der »nationalen Opposition« vorangetrieben und die eigene politische Arbeit professionalisiert. Eine Entwicklung, die vor zehn Jahren nicht abzusehen war.
1996 hatte die NPD gerade noch 2800 Mitglieder. Die Partei befand sich im freien Fall. »Altherrenpartei« war damals selbst in der extremen Rechten noch die höflichste Bezeichnung für die NPD . Die Parteiführung war zerstritten, die Kassen leer, das Programm nicht mal für Neonazis ansprechend. Udo Voigt übernahm in diesem Jahr eine handlungsunfähige Organisation von seinem Amtsvorgänger. Der damalige Bundesvorsitzende Günther Deckert saß zu diesem Zeitpunkt gerade wegen Volksverhetzung in Haft. Nur mit zwei Stimmen Mehrheit setzte sich der dröge Rheinländer, damals NPD -Chef in Bayern, auf dem Bundesparteitag in Bad Dürkheim durch. Ein Wendepunkt für die NPD . Gegen interne Widerstände bemühte sich Voigt mit Getreuen wie dem heutigen sächsischen NPD -Fraktionschef Holger Apfel und NPD -Fraktionsgeschäftsführer in Mecklenburg-Vorpommern Peter Marx um eine neue politische Ausrichtung der ältesten neonazistischen Partei in Deutschland. Die Strategen entwickelten langsam, aber stetig das heutige Selbstverständnis, sowohl Wahlpartei als auch Gesinnungsgemeinschaft zu sein. In »Alles Große steht im Sturm«, einem Hochglanzband für Mitglieder, erklärte Holger Apfel 1999 , dass die NPD als »aktiv-kämpferische, nationale Weltanschauungspartei« nicht mehr versuche, mit Stellungnahmen »im beschränkenden klassischen nationalen Lager« zu werben, sondern »durch klare Positionierungen und neue Wege« »neue Wähler- und Anhängerschaften« erreichen zu wollen.
Für diese Strategie konnte Udo Voigt die Delegierten erstmals auf dem Bundesparteitag 1998 in Stavenhagen sichtbar gewinnen. Seitdem lautet die Parole: »Kampf um die Straße, Kampf um die Köpfe und Kampf um die Parlamente«. Eine Gewichtung der einzelnen Bereiche ist nicht festgelegt. Vielleicht um Fraktionskämpfe in der Partei über die Strategie nicht zuzuspitzen, betont Holger Apfel: »Je nach Interessenslage und Verankerung« könne sich der Aktivist eine »der drei für den Erfolg der NPD entscheidenden Auseinandersetzungen« aussuchen. Der Aufstieg der NPD unter Voigt verlief nicht ohne Schwierigkeiten. Interne Parteiintrigen, ein vom Bundestag initiiertes, aber gescheitertes Verbotsverfahren, Steuerermittlungen und immer wieder leere Kassen waren zu meistern. Ihm nahestehende Parteikameraden griffen den Vorsitzenden schon mal an, so etwa sein Vize Apfel, der sich wegen der Nähe zu den Kameradschaften sorgt, oder wegen Veruntreuung von Parteigeldern durch den ehemaligen NPD -Schatzmeister Erwin Kemna.
Ein großer Redner ist der 1952 geborene Voigt nicht. Mangelndes Charisma wird dem graumelierten Herrn aus der eigenen Partei vorgehalten. Doch den Parteiapparat weiß der ehemalige Bundeswehroffizier zu dirigieren. Über parteiinterne Seilschaften lenkt er, der wegen der NPD seine Offizierslaufbahn bei der Luftwaffe beenden musste, die Geschicke der Partei. Voigt selbst sagt oft: »Ich fühle mich noch als Soldat«, und meint damit wohl auch seinen ständigen Kampf gegen den bestehenden Staat. Dabei konnte er 2003 einen Erfolg verbuchen, als er das angestrebte Verbotsverfahren gegen die NPD ohne größeren Schaden für sich und seine Partei überstand. Am 18 . März 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag des Bundestages wegen der Existenz von verdeckten Ermittlern eingestellt, da es eine mögliche Fremdsteuerung der Partei durch sogenannte V-Leute als »nicht behebbares Verfahrenshindernis« ansah. Die Auseinandersetzung um die verdeckten Ermittler riss die Partei nicht auseinander. Zwar traten einige Personen aus, doch schon 2004 wuchs die Mitgliederzahl wieder. Verfassungsschutzbehörden prophezeiten damals noch eine andere Entwicklung. Sie mussten sich eines Besseren belehren lassen: Denn nur knapp vier Monate nach deren Einschätzung gelang der NPD in Sachsen nach 36 Jahren erstmals wieder der Einzug in ein Landesparlament. Am 19 . September 2004 erzielte die NPD 9 , 2 Prozent der Wählerstimmen. Kritik aus der Partei an dem neuen Kurs des Bundesvorsitzenden verstummte schlagartig. Die Szene geriet in Aufbruchsstimmung. Nach dem Erfolg erklärte Udo Voigt in der neu-rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« am 24 . September 2004 :
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