Neonazis in Nadelstreifen
nötigen Schwung.« Der Landeschef, der zugleich Bundespressesprecher ist, erklärte zudem: »Unsere Kandidaten besuchen mit Infoständen selbst die abgelegensten Dörfer«, und »Probleme vor Ort (…) wie Abwasserstreit, Werks- und Schulschließungen« oder »Ausländerübergriffe auf deutsche Schüler werden mittels (…) Mahnwachen, Flugblättern und Bürgeransprache aus nationaler Sicht aufgegriffen und thematisiert«. Keine reine Wahlkampfrhetorik. In Joachimsthal protestierte die NPD gegen einen entlassenen Sexualstraftäter. »Stoppt die Kinderschänder« war das Motto ihrer Kampagne. Ihre Parole »Todesstrafe für Kinderschänder« schrieben Anwohner von sich aus auf Bettlaken – ohne Parteimitgliedschaft. Ihre Themen und Forderungen kommen nicht nur dort an. Dirk Wilking, Geschäftsführer des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in Brandenburg, bestätigt: Die NPD hat sich ein »Skelett an Sachthemen zugelegt«, allerdings sei die Kenntnis meist oberflächlich und diene bloß als Schein einer vermeintlich seriösen Politik.
Am Wahlsonntag in Brandenburg störten sich aber eben nicht alle Wähler an diesem Manko. Glaubt man Klaus Beier, hatte die Verurteilung des Ex-Bundesschatzmeisters Erwin Kemna keine Auswirkung auf die Wahlen. »In den letzten Wochen war ich fast täglich auf allen Ebenen an der Wahlkampffront aktiv dabei«, betonte er in der »Deutschen Stimme« und behauptete: »Nicht ein einziges Mal wurde ich zu dieser Problematik angesprochen.« Die Negativschlagzeilen zu dem NPD -Kandidaten Alexander Bode schreckten im Wahlkreis Spree-Neiße auch nicht alle Wähler ab. 1999 war der NPD -Kandidat der Hauptschuldige an der tödlichen Hetzjagd auf den Algerier Omar Ben Noui in Guben. In der Stadt an der Grenze zu Polen hatten elf Jugendliche den Asylsuchenden durch die Straßen gehetzt. In seiner Not trat Ben Noui die Scheibe einer Haustür ein, verletzte sich eine Beinarterie und verblutete. Der damals 21 -jährige Bode wurde zu zwei Jahren Jugendhaft verurteilt. Ein »bedauernswerter Vorfall«, meint Klaus Beier gegenüber der »tageszeitung«, aber Alexander Bode »hat ihn ja nicht einmal angefasst«. Routiniert sagt der Parteikader, was die Partei immer zu ihrem vorbestraften Personal bei Wahlen oder in Parteifunktionen sagt: »Resozialisierung«. Klaus Beier hebt so hervor: »Wir ermöglichen diesem jungen Mann, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren«. Diese wohlgemeinte Wiedereingliederung gilt allerdings nur für Deutsche. Am Wahltag erhielt die NPD vier Prozent im Wahlkreis Spree-Neiße.
Kurze Zeit später brach auf dem Landesparteitag am 9 . November 2008 bei der brandenburgischen NPD kein Streit aus. Die Entwicklung beruhigte. Mit großer Mehrheit bestätigten in Freidorf/Halbe die Parteimitglieder Klaus Beier im Amt. Der Landesvorsitzende erklärt: »Wir sind auf dem richtigen Weg eines kontinuierlichen und soliden Aufstiegs.« Stargast des Parteitags war der letzte stellvertretende Außenminister der DDR , Kersten Radzimanowski, der gegen die »multikulturelle Schimäre« wetterte. Noch mehr gefiel den NPD lern seine Einschätzung: »Erst wenn die NPD in den Bundestag einzieht, werden die Karten in Deutschland neu gemischt«.
Nach der Wahl ist auch für den NPD -Bundesgeneralsekretär Peter Marx vor der Wahl. Den Wahlerfolg in Brandenburg stellt er in einen Zusammenhang mit der internationalen Bankenkrise: »Nach dem Zusammenbruch weltweit operierender Banken wird immer deutlicher, dass die NPD -Aussage ›sozial geht nur national‹ die richtige Antwort auf die gescheiterte Globalisierung« sei. »Ehe das inländerfreundliche Wählerpotential auch hierzulande mobilisiert werden kann«, so Marx, »hat die nationale Opposition noch jede Menge Hausaufgaben zu machen.« Sie müsse nicht nur weiter an ihrer »Professionalisierung, an ihrem Erscheinungsbild, an ihrer Sprache arbeiten«, sondern auch »an der Mobilisierung ihrer Anhänger und des eigenen Umfeldes«.
Die Entwicklung der NPD in den vergangenen Jahren lässt annehmen, dass weder die bestehenden internen Probleme noch die enttäuschten Erwartungen zu einem strategischen Kurswechsel führen werden. Die NPD wird sich bei den kommenden Wahlkämpfen wieder als die Partei gerieren, die sich »kümmert« – soziale Themen und kommunale Probleme aufgreift. Berechtigte Sorgen und gefühlte Ängste in der Mitte der Gesellschaft werden sie anfeuern.
Andreas Speit
»Höchststrafe für das deutsche
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