Neonazis in Nadelstreifen
»Die NPD ist bestrebt, die Menschen dort abzuholen, wo sie sich geistig befinden.«
Die Signale des 31 . Bundesparteitags der NPD im November 2006 in Berlin waren denn auch eindeutig: »Geschlossenheit!« und »Weiter so!«. Knapp zwei Monate zuvor, am 17 . September 2006 , war der NPD mit 7 , 3 Prozent der Stimmen der Einzug inein weiteres ostdeutsches Parlament gelungen, in den Landtagvon Mecklenburg-Vorpommern. »Nichts für uns, alles für Deutschland!«, schmetterte Udo Voigt in den Saal. Die traditionelle Abschlussformel des NPD -Bundesvorsitzenden, der an demselben Wahltag zudem als NPD -Fraktionschef in die Berliner Bezirksverordnetenversammlung von Treptow-Köpenick eingezogen war, gefiel wieder. Applaus brach unter den rund 600 Delegierten und Sympathisanten im Saal des Fontane-Hauses in Berlin-Reinickendorf aus. Erstmals konnte die NPD ihren Bundesparteitag in der ehemaligen »Reichshauptstadt« abhalten. »Aus der Mitte des Volkes« stand an der Bühne.
Das Motto des Parteitags am 11 . und 12 . November 2006 war das Lieblingsthema des Parteivorsitzenden. Voigt zitierte genüsslich aus der kritischen Studie zu »rechtsextremen Einstellungen« in Deutschland »Vom Rand zur Mitte«, wie stark sich rechte Ressentiments in der »Mitte der Gesellschaft« festigen und verbreiten würden. Freudig ließ er seine Anhänger wissen, dass nach Angaben dieser Erhebung über 39 Prozent der Menschen in »West- und Mitteldeutschland« eine »gefährliche Überfremdung« der Bundesrepublik durch Ausländer sähen und über 15 Prozent sich einen »Führer« wünschten. Um diese »schweigende Mehrheit« für sich zu gewinnen, betonte er, müsse stärker als zuvor ein »kommunaler Unterbau« geschaffen werden, bevor man nach »Höherem« streben könne.
Auf dem Parteitag versicherte DVU -Bundeschef Gerhard Frey, den gesundheitliche Probleme und die Sorge um einen adäquaten Nachfolger plagten, dass die Absprachen Bestand hätten. Im Februar 2005 hatten die beiden langjährig verfeindeten rechten Parteien NPD und DVU den »Deutschland-Pakt« geschlossen. »Der Bruderkrieg ist eingestellt«, verkündete Udo Voigt zufrieden. Bis zum Jahr 2009 legten sie fest, wann wo wer in welchem Bundesland um die Gunst der Wähler streiten solle. Der »Pakt« hält bis heute, auch wenn Absprachen neu gefunden werden mussten.
Das Dreisäulenmodell der NPD – Kampf um die Köpfe, die Straße und die Parlamente – hatte Voigt bereits Ende 2004 beim Bundesparteitag im thüringischen Leinefelde um »den Kampf um den organisierten Willen« erweitert, als man symbolträchtig die führenden Kameradschaftskader Thomas Wulff, Thorsten Heise und Ralph Tegethoff als NPD -Neumitglieder vorstellte. Noch vor der Sachsen-Wahl hatten diese in wechselnden Zusammensetzungen mit führenden Parteikadern wie Holger Apfel Gespräche geführt, um »Vorbehalte und Differenzen« auszuräumen. »Es war der Wille zu spüren, die einmal gemachten Fehler nicht zu wiederholen und sich als Partei in das Gesamtgefüge einer Bewegung des Widerstands einzufügen«, schrieben sie in ihrer »Erklärung zum Eintritt« am 17 . September 2004 und ergänzten an die Adresse der Kameradschaften gerichtet beschwichtigend: »Wir halten diese freien Arbeitsstrukturen auch weiterhin für absolut wichtig.«
Die »sozialpolitische« Orientierung bestätigte der Berliner Parteitag, ebenso wie die taktische Bündnispolitik mit der DVU und den »Freien Kameradschaften«. Die Kameradschaftsszene selbst wuchs auf etwa 4400 Aktivisten an. Der Verfassungsschutz zählte zudem 10 000 »subkulturell geprägte und sonstige gewaltbereite Rechtsextreme«. Ein Milieu, das mit den Kameradschaften verwoben ist. In der Erklärung forderte Voigt voller Elan: »Jetzt heißt es ›rein in die NPD ‹, damit 2009 im deutschen Bundestag endlich wieder deutsch gesprochen wird!«, und: »Nur mit organisiertem Willen lässt sich der Überfremdung unseres Vaterlandes begegnen.«
Nur die Republikaner ( REP ) trotzen offiziell noch den Umwerbungsversuchen. Den »politikfähigen Resten« der Konkurrenz bietet Voigt nun an, »den Weg zur NPD [zu] finden oder sich als Organisation dem Deutschland-Pakt an[zu]schließen«. Die extrem rechten Republikaner um den Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer lehnen die Zusammenarbeit mit der NPD bislang ab, auch wenn ihm nicht mehr alle Mitglieder folgen und sich ganze Kreisverbände der NPD anschlossen. Manch früherer Republikaner kann jetzt gar mit Kameradschaftern umgehen.
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