Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
Vom Netzwerk:
jeder Nachsicht gegenüber allem, was von der semitisch-christlichen Wurzel herkommt, unser Blut und unseren Verstand infiziert hat.« Heidentum als europäisches Ideal, Antisemitismus als antisemitisch-christliches Programm – damals wie heute – von den Protagonisten unterschiedlich interpretiert und umgesetzt. Den Wunsch nach dem Ausschluss des Anderen, des ausgemachten fremden Volks, haben sie dennoch gemein. Noch immer gilt für ihr Denken, was Carl Schmitt 1932 in seiner Schrift »Der Begriff des Politischen« schrieb: »Wer Menschheit sagt, will betrügen.« Denn der »humanitäre Menschheitsbegriff« sei eine »polemische Verneinung«, der zu einer »universalen Gesellschaft« führe, in der »es dann keine Völker als politische Einheit« mehr gebe. Fast 50 Jahre später, 1981 , erklärte Alain de Benoist, dass der Begriff Menschheit eine reine Abstraktion sei. Der »Universalismus«, von ihm abgeleitet, werde zur »falschen Religion«.
    Das vermeintliche Verschwinden der »Völker« und Ethnien beklagt heute auch regelmäßig der NPD -Vordenker Karl Richter. In den 60 er Jahren hatte die »Neue Rechte« schon ihr Konzept des »Ethnopluralismus« entworfen, einen Nationalismus auf Gegenseitigkeit, der vorsieht, dass die Welt nach völkischen Kriterien neu geordnet werden soll. Denn jedes »Volk« und jede Ethnie sei durch eine »jahrtausendlange Anpassung« ihres Lebensraums entstanden und habe so eine »einmalige Kultur« entwickelt. »Viva la difference!« ist das Leitmotiv, nach dem eine strikte Trennung der »Völker und Kulturen« angestrebt wird. In der Dezemberausgabe 2007 von »Nation & Europa« warnte Karl Richter vor den Schachzügen, mit denen »Merkel, Schäuble, Bush und Co.« den »Krieg der Kulturen« führten. Hierbei greift er auf ein Schlagwort des US -amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel Phillips Huntington zurück, dessen Aufsatz »The Clash of Civilizations?« 1993 bereits weltweit heftige Debatte ausgelöst hatte. Richter stört allerdings, dass das Abendland als »christlich-jüdisch« verstanden wird. Eine »›christlich-jüdische‹ Symbiose (…) hat es nie gegeben«, betont Richter in seinen Ausführungen. Stattdessen würde die »Völkervielfalt« durch eine »Infiltration des globalen ›Weltgewissens‹ mit dem Holocaust-Dogma« zerstört, »die auf die weltweite Inthronisierung einer jüdischen Sonder-Identität zu Lasten jeder anderen nationalen Integrität hinausläuft«. Ethnopluralismus also, verwoben mit Antisemitismus. In den neuen Argumentationen schlagen alte Positionen durch. Ein Widerspruch, der in der NPD allerdings keine Diskussion hervorruft. Die offensive Haltung beim Thema Holocaust könnte zudem der öffentlichen Stimmung geschuldet sein.
    Denn in der NPD werden wissenschaftliche Untersuchungen zu rechten Ressentiments in der Mitte der Gesellschaft sehr genau registriert. Die Ergebnisse der Studie »Vom Rand zur Mitte – Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren«, durchgeführt im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, sind dem NPD -Bundesvorstandsmitglied Jürgen Gansel bestens bekannt. Die repräsentative Befragung aus dem Jahr 2006 offenbarte weitverbreitete antisemitische Stimmungen in der Bevölkerung. Von den befragten 5036 Personen waren 17 , 9 Prozent der Ansicht: »Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß.« 13 , 8 Prozent meinten: »Die Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen«, und 13 , 5 Prozent der Befragten glaubten, dass »Juden« etwas »Eigentümliches an sich haben« und »nicht so recht zu uns passen«. Daraus zog NPD -Stratege Gansel ein eigenes Fazit: »›Nachfrage‹ nach einer seriösen nationalistischen Partei ist allemal da, bislang scheint nur das ›Angebot‹ – bedingt durch eine maßlose Medienhetze – nicht als in diesem Maß wählbar wahrgenommen worden zu sein.«
    Seit 2004 arbeitet der 1974 in Opladen geborene Jürgen Gansel als NPD -Abgeordneter im Sächsischen Landtag deshalb auch am besseren Auftritt der Kameraden. In der Partei wird der schlaksige Mann mit Bürstenschnitt und Brille als weiterer Cheftheoretiker geschätzt. Beliebt soll er aber in den eigenen Reihen nicht sein. Während des Studiums in Gießen schloss er sich der extrem rechten Burschenschaft Dresdensia-Rugia an. Bis 1993 gehörte er noch der CDU sowie deren Jugendorganisation, der Jungen Union, an. Später radikalisierte er sich bei der Jungen Landsmannschaft

Weitere Kostenlose Bücher