Neonazis in Nadelstreifen
anzufeuern.
Schon früh hat sich Gansel mit vermeintlich antikapitalistischen Alternativen beschäftigt. Das Thema seiner Magisterarbeit 1999 : »Antikapitalismus in der ›Konservativen Revolution‹ in Deutschland 1918 – 1932 «. Die Idee eines »preußischen oder nationalen Sozialismus« sprach ihn an. 1919 war Oswald Spenglers Buch »Preußentum und Sozialismus« erschienen, in dem er Karl Marx als englischen Denker brandmarkte, der dem preußischen Wesen nicht gerecht werde. Spenglers eigene Gesellschaftsvision hat wenig mit der Sozialkritik des Begründers des Marxismus gemein. Seinen Vorstellungen nach muss sich der Einzelne bedingungslos der Gemeinschaft unterordnen. 1914 hatte für Spengler die deutsche Revolution bereits stattgefunden, als im August des ersten Kriegsjahres vermeintlich ein ganzes Volk, unabhängig von Ansehen, Klasse oder Rang, zu den Waffen griff, um seine Pflicht für das Staatsganze zu erfüllen. Eigentum verstand Oswald Spengler als ein im »Auftrag der Allgemeinheit (…) anvertrautes Gut«. Von Enteignungen der Konzerne und Großindustrie war nicht die Rede. Sozialismus als gefühlte Idee? Gansel feierte in seiner Magisterarbeit diesen »Frontsozialismus« im Ersten Weltkrieg fast euphorisch. »Der Kriegsausbruch 1914 riss plötzlich alle im wilhelminischen Kaiserreich bestehenden Schranken nieder«, schreibt er. Für die jüngere Generation »war dies die erste Begegnung mit einem tief erfahrenen, volksgemeinschaftlichen Sozialismus«.
Das Begriffspaar »volksgemeinschaftlicher Sozialismus« weckt Assoziationen. Allerdings soll diese Idee mit der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft gar nichts gemein haben. In der »Handreichung« legt Gansel dar, dass die Volksgemeinschaftsidee »keine Erfindung der Nationalsozialismus« gewesen sei, »sondern wesentlich älter«, »also vor-nationalsozialistischen Ursprungs und von zeitloser Gültigkeit«. Den extrem rechten Politikkanon will Jürgen Gansel von den nationalsozialistischen Verbrechen trennen. Nichts anderes ist die politische Intention der theoretischen Operationen. Hier folgt der NPD -Kader der »Neuen Rechten«. Mit dem Rückgriff auf die »Konservative Revolution« und auf den italienischen Faschismus will man sich der Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und für den Holocaust entledigen. Bewusst ziehen »Neue Rechte« eine Trennlinie zwischen »Konservativer Revolution« und Nationalsozialismus, um die von ihnen offen Verehrten von der Schuld der kulturellen Wegbereitung für das Hitler-Regime reinzuwaschen. Die »Konservativen Revolutionäre« erscheinen heute bei der »Neuen« und »Alten Rechten« als missverstandene Einzelkämpfer, denen in der Geschichte doppelt Unrecht geschah. Sei es, weil das nationalsozialistische System zwischen 1933 und 1945 ihre Ideen angeblich missbraucht hat, oder sei es, weil sie nach 1945 gar als theoretische Wegbereiter des Nationalsozialismus galten.
In der NPD wird dieser Kurs der Entlastung von der deutschen Vergangenheit bewusst vorangetrieben. Die »Deutsche Stimme« veröffentlicht regelmäßig Porträts von Protagonisten aus dem ideologischen Spektrum der »Neuen Rechten«. Im »Aktionsprogramm« der NPD zur Niedersachsenwahl 2008 tauchte auch Arthur Moeller van den Bruck auf. »Konservative Revolutionäre« und italienische Faschisten finden sich ebenfalls im »Taschenkalender des Nationalen Widerstands 2008 «, zwischen verherrlichten Wehrmachtsoffizieren und vermeintlichen »Freiheitskämpfern«.
Das eigene Gedankengebäude möchte nicht minder Olaf Rose frei von einem Zusammenhang zu den nationalsozialistischen Verbrechen darstellen. In den Räumen der sächsischen NPD -Fraktion bewegt sich der studierte Historiker seit 2006 . Lange ist der 1958 geborene, aus Bochum stammende Rose in diversen Verlagen der »Neuen Rechten« tätig gewesen. Von 1987 bis 2003 arbeitete er aber als Stadtarchivar für die Kommunen Herdecke und Herne. In jenen Jahren schrieb Olaf Rose die NS -Geschichte schön. So rechnete er die Zahl der Zwangsarbeiter in Herne und Wanne-Eickel von 30 000 auf 9000 Betroffene herunter. Als die»tageszeitung« 2003 kritisch darüber berichtete, musste er gehen.
Bevor er bei der NPD -Fraktion »parlamentarischer Berater« wurde, veröffentlichte er als Filmautor geschichtsrevisionistische Videoproduktionen wie »Geheimakte Heß – Geschichte und Hintergründe der gescheiterten deutsch-englischen Friedensverhandlungen« und »Über Galgen wächst kein Gras–
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