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Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
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rechten Publizistik darstellt«. Schon bevor sie das Amt der Chefredakteurin antrat, schrieb sie Autorin für »Hier & Jetzt«.
    In der Winterausgabe 2006 beklagte sie sich, dass »die Rechten« zwar dauernd die »Konservative Revolution« zitierten, sie »aber nie verstanden« hätten. Ihre Ideen und Argumente gelten als eigenwillig. So kommt sie in der Frühlingsausgabe 2007 von Stephen Kings »Shining« zu »Hänsel und Gretel«. »Das deutsche Märchen« schlechthin, stellt sie fest. »Es gibt nichts ›Gruseligeres‹ im europäischen Kulturkreis als die jüdische Problematik (…). Die Hexe im tiefen Wald mit ihren Schätzen und der Neigung, kleine Kinder zu schlachten, entspricht allen Klischees und nennt das Wort nicht.« Antisemitismus pur, doch Angelika Willig beherrscht trickreich die Syntax: Statt es selbst zu sagen und sich juristisch angreifbar zu machen, unterstellt sie geschickt, dass dieses Märchen so interpretiert werden könnte. In »Nation & Europa« schreibt sie auch. Schwärmerisch berichtete sie als eine der wenigen weiblichen »Neuen Rechten« dort davon, 2006 bei der NPD -Demonstration zum 1 . Mai in Rostock mitmarschiert zu sein: »In Rostock ging richtig die Post ab – dank NPD .« Mit einem Anflug von Humor resümierte sie: »Marschieren ist jedenfalls besser als gar kein Sport.«
    Die Gründungsidee zu »Hier & Jetzt« kam den Herausgebern, nachdem mehrere neu-rechte Blätter eingestellt worden waren. Viermal im Jahr erscheint die Zeitung in Pirna in der Sächsischen Schweiz. Den »Krieg der Kulturen« verband der NPD -Fraktionsmitarbeiter Karl Richter in der Frühlingsausgabe 2007 mit dem »Krieg der Krippen«. Andreas Molau legte als ehemaliger Waldorflehrer in einem Interview nahe, Kinder in anthroposophische Einrichtungen zu schicken. Richter und Molau sind in dem Projekt nicht die Einzigen mit neu-rechter Herkunft. Über die Auflage von »Hier & Jetzt« macht der sächsische Verfassungsschutz 2007 keine Angaben. Die Rezeption deutet den Trend an: Auflage steigend.
    Nicht alle Bemühungen zur Intellektualisierung der »nationalen Bewegung« sind jedoch erfolgreich. Trotz lautstarker Vorankündigung kommen manche große Projekte erst gar nicht zustande. 2005 erklärte Jürgen Gansel nach dem Einzug in den Landtag, eine »Dresdener Schule« sei in Gründung. Der Name deutet eine gewollte Gegenausrichtung zur linksorientierten »Frankfurter Schule« bereits an. »Frankfurt war gestern, Dresden ist heute«, verkündete Gansel trotzig. Mit Bezug auf die »Konservative Revolution« und die »Neue Rechte« erklärte er, dass die »Frankfurter Schule einen Generalangriff auf das Volks-, Staats- und Geschichtsbewusstsein der Deutschen« geführt habe. »Die ideologischen Zutaten und Rezepte lagen bereits vor, als die Remigranten Max Horkheimer und Theodor Wiesengrund Adorno die Frankfurter Giftküche 1950 wiedereröffneten, um die deutsche Geisteslandschaft im Sinne der alliierten Umerzieher gründlichst umzupflügen, d. h. ein für allemal zu entnationalisieren.« Als Nachfahren und Hauptfeind macht Gansel, ganz wie Andreas Molau, wieder einmal die 68 er-Bewegung aus, die heute die »staatszersetzende BRD -Nomenklatura« präge. Das Bernburger Bildungswerk für Heimat und nationale Identität e.V. soll die Denkansätze der NPD -nahen »Dresdener Schule im öffentlichen Diskurs popularisieren«. Doch nur ein Produkt mit dem Label »Dresdener Schule« war bisher tatsächlich erfolgreich: die Handreichung »Argumente für Kandidaten & Funktionsträger«. Tagungen des losen Personenzusammenschlusses, dem außer Karl Richter und Jürgen Gansel auch Andreas Molau und Arne Schimmer zugerechnet werden, fanden in den vergangenen Jahren selten statt. Seminare ebenso wenig. Ein Grund dürfte monetärer Natur sein, denn das rechte Bildungswerk erhielt keine staatlichen Finanzspritzen. Die Fraktion dient aber auch ganz anders als Ausbildungs- und Schulungszentrum: Anfang 2006 absolvierte Udo Pastörs dort ein Praktikum als Vorbereitung für die Landtagsarbeit der NPD -Fraktion in Schwerin.
    Der Platz vor dem Kiosk in der kleinen Stadt Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern füllt sich an diesem Wintertag 2007 langsam. An die 400 Teilnehmer kommen aber auf den Platz vor dem Bahnhof. Genau an jenem Ort, wo vier Wochen zuvor mehrere junge deutsche Männer den kurdischen Flüchtling C. zusammengeschlagen hatten. Am Samstag, zwei Tage vor Weihnachten, wollen sie gegen die rassistische Gewalt in ihrer Elbregion

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