Neonazis in Nadelstreifen
demonstrieren. »Auch um den Betroffenen zu zeigen, wir stehen zu euch«, betont eine Frau und freut sich über die vielen Teilnehmer. Beim Kiosk betrachten drei Männer die Demonstranten abschätzig. »Hau ab mit deinem Scheiß«, sagt einer, als ihm ein Flugblatt gereicht wird. Bierflaschen haben sie in der Hand. Kurz darauf schaut auch eine Frau aus dem Kiosk heraus. Sie will nicht sagen, ob sie die Betreiberin ist. Sie möchte auch nicht beantworten, ob sie es war, die das spätere Opfer am 25 . November 2007 zuerst nach seiner Herkunft gefragt hat. An der Kleidung sind sie alle nicht als Rechtsextremisten zu erkennen, sie tragen keine szenetypische Kleidung. Anders als einige Jugendliche und junge Erwachsene, die die Demonstration verächtlich beobachten. »Niggerfreunde«, sagt einer, und eine andere meint verächtlich: »Ach, alles Pack.« An diesem 22 . Dezember 2007 erscheint Udo Pastörs nicht. Der NPD -Fraktionschef weiß, dass ein Auftritt bei dieser Demonstration ihm kein Forum bieten würde. Per Presseerklärung wiederholen die NPD -Kader stattdessen, was sie bereits beim Kirchenauftritt von sich gegeben haben: »In Boizenburg / Elbe wird der tätliche Übergriff auf einen Kurden zu einem Politikum hochgespielt.« Und sie betonen: »Unser Land hat ein eindeutiges Problem mit gewalttätigen Ausländern.« Die Boizenburger neben dem Kiosk würden ihnen zustimmen.
Als die Demonstranten vom Bahnhof zum Marktplatz ziehen, muss die Polizei mehr als 40 Platzverweise gegen rechtsorientierte Jugendliche und junge Erwachsene aussprechen, um Provokationen zu unterbinden. Am einzigen offenen Stand mit deutschem Grillgut auf dem Marktplatz wettert ein älterer Herr: »Einfach weg, diese Kanaken«, und ein jüngerer Kerl meint: »Die linken Zecken auch gleich mit.« In dieser Runde mit Bierfahne herrscht braunes Einvernehmen: »Den Pastörs, klar kennen wir den«, bestätigt einer aus der Runde. Und: »Der ist gut.« Der latente Zuspruch im Ort für die Parolen der NPD bereitet anderen Anwohnern große Sorgen. »Ihr Auftreten schüchtert ein«, sagt Frederike Schmidt von der Initiative »Courage Boizenburg« und hebt hervor: »Umso wichtiger, heute zu sehen, dass man nicht allein ist.« Auch C. freut sich etwas: »Die Demo gibt mir ein wenig die Sicherheit zurück, sich hier wieder ungefährdet bewegen zu können.« Pastor Dino Steinbrink kennt diese Ängste: »Manch Boizenburger traut sich nicht, was zu sagen.« Nachdenklich gesteht der Pastor, den Auftritt von Udo Pastörs in der Kirche so nicht erwartet zu haben: »Vielleicht haben wir ihn unterschätzt?«, fragt er sich. Bürgermeister Harald Jäschke bestärkt den engagierten Pastor: »Der Rauswurf aus der Kirche war ein mutiges Zeichen.« Ihm liegt aber daran, »die Boizenburger nicht alle über einen Kamm zu scheren«. Schönreden möchte an diesem Tag die Situation jedoch niemand. Der »Kampf um die Köpfe« scheint bei manchen verloren. Langwierige Bemühungen sind nötig. Das veränderte Auftreten mit geübten Argumentationen der NPD wird zu neuen Auseinandersetzungen führen.
Andrea Röpke
»Braune Kanäle«
Die Finanzierung der NPD – Sponsoren und
Vermächtnisse – Staatliche Subventionierung –
Aufbau eigener Wirtschaftsnetzwerke –
Kontakte zu mittelständischen Unternehmern –
Steuerfreiheit für Holocaust-Leugner
Er nennt rund ein Dutzend Immobilien sein Eigen. Doch sein ausgebeultes blaues Jackett sitzt so schlecht, als entstamme es der Altkleiderspende. Den rostigen Jetta mit Verfallsdatum stellt er in der Einfahrt seiner Anwaltskanzlei ab, die aber liegt an der noblen Elbchaussee im Hamburger Villenvorort Blankenese. Er verschwendet Tausende von Euro für Strafgelder und Beschwerdeverfahren, ist aber privat zu knauserig, um Krankenversicherungsbeiträge einzuzahlen. Er gilt als einflussreicher NPD -Aktivist, der verschmitzt zusieht, wie Preise für verkommene Immobilien in die Höhe schnellen und Bürgermeister von Bayern bis Brandenburg unruhig werden, sobald er irgendwo auftaucht. Doch wenn Medien schlecht über ihn berichten, ist er beleidigt. Neonazi Jürgen Rieger ist ein Mann mit Widersprüchen. Nicht nur sein politisches Handeln, auch seine finanziellen Transaktionen geben Rätsel auf.
So fragten sich zahlreiche Menschen im Sommer 2007 : Will der rechte Spekulant das Hotel »Am Stadtpark« in Delmenhorst wirklich kaufen, oder blufft er nur? Kaum ein Rechtsextremist sorgte in den letzten Jahren für so viele Schlagzeilen wie
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